Bundesliga-Vorbericht – Der Kellertreff der „Rauten-Lilien“ | #SV98HSV

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Was wir nicht schreiben

Man kann diesen Vorbericht aus vielen Blickwinkeln schreiben. Man könnte darüber sinnieren, dass der SV 98 inzwischen fünf Pflichtspiele hintereinander verloren hat und das ja alles ganz furchtbar ist, Schuldige suchen und weiter schön „Mainstream“ sein, wie das so viele in sattsam bekannten ähnlichen Situationen schon waren – mit allen daraus folgenden Konsequenzen, die erwiesenermaßen in den seltensten Fällen so wirklich was gebracht haben. Man könnte darüber schreiben, wo wir herkommen, dass das zweite Jahr immer das schwerste ist, und dass jede Sekunde Bundesliga, die wir atmen dürfen – und sei es auch ein 0:6 in Dortmund – ein Geschenk ist und eine Genugtuung für all die Jahre im fußballerischen Niemandsland. Machen wir es kurz: Stimmt irgendwie alles, aber irgendwie auch nicht. Denn die Situation, in der wir uns gerade befinden – und dieser Sport überhaupt – ist zu komplex für vermeintlich leichte Lösungen.

Man kann aber auch darüber schreiben – und das mache ich hier –, dass das Spiel am kommenden Sonntag mehr ist als nur der vierte Bundesliga-Auftritt des Bundesliga-Dinos am Böllenfalltor: Es ist der Kellertreff der Rautenlilien!

Rückblende: 9. April 2016, Hamburger Volksparkstadion

Wenige Minuten vor Stadionöffnung stehen eine Handvoll Darmstädter mit einer Handvoll Hamburgern in der Geschäftsstelle des HSV. Bewaffnet mit Kartons und Silikonbändchen. Kurze Zeit später sind in Windeseile 3000 Stück dieser Bändchen verkauft. Die Aktion ist ein gemeinsamer Kampf gegen den Krebs – aus traurigem Anlass: Denn kurz zuvor waren Simon (HSV-Fan) und der in Darmstadt bestens bekannte Jonathan „Johnny“ Heimes – inzwischen ja Namensgeber des hiesigen Stadions – an dieser heimtückischen Krankheit verstorben. Johnnys Idee mit den Du-musst-kämpfen-Bändchen war von den HSV-Supporters aufgegriffen worden – getrennt in den Farben, vereint im Kampf gegen den Krebs.

Deutschlandweite Nachfrage

Doch dabei blieb es nicht. Viele Besucher des Spiels kamen zu spät für die Bändchen, die Nachfrage war immens. Und nicht nur im Stadion: Facebook und Twitter standen gar nicht mehr still – Fußballfans aus ganz Deutschland waren auf die Bändchen aufmerksam geworden und wollten sie bestellen. Fans von Borussia Dortmund, 1860 München, Jahn Regensburg, dem 1. FC Kaiserslautern, Hannover und vielen mehr – quer durch alle Ligen und frei von Sympathien oder Antipathien zu den eigentlich auf den Bändchen abgebildeten Vereinen. Die Leute verstanden, was der Sinn der Aktion war und es war klar: Wir mussten nachbestellen… Und so konnten wir – nur aufgrund von ehrenamtlicher Arbeit und einer guten Idee – mehr als 15.000 € für zwei Krebshilfe-Vereine sammeln.

Rauten-Lilien

Doch was ist das jetzt mit den Rauten-Lilien? So eine Aktion verbindet. In der Folgezeit mehrten sich die Nachrichten zwischen Hamburg und Darmstadt. Hamburger freuten sich, wenn auf der Anzeigetafel „Tor für Darmstadt“ erschien und Darmstädter lächelten innerlich bei „Tor für Hamburg“. Eine Energie, die vom Tag des Verkaufs ausging und eigentlich noch heute anhält. Man ist sich sympathisch, auch wenn man jetzt am kommenden Sonntag die Klingen im „Überlebenskampf“ Bundesliga-Keller kreuzt. Spätestens das jetzt sollte endgültig nachdenklich machen. Überlebenskampf? Haben Menschen, die krank sind. Vereine im Überlebenskampf? Das ist nichts weiter als „Brot und Spiele“. Natürlich ist Fußball wichtig, natürlich will jeder Erfolg. Aber es gibt sie, diese Ebene, die andauernd – trotz aller Lippenbekenntnisse – vergessen oder zumindest vom „Tagesgeschäft“ in den Hintergrund gedrängt wird. Und unsere Aktion hat gezeigt, wie viel Kraft darin stecken kann, wenn man den Fußball nutzt für Positives: Ehrenamtliche, Fans verbinden sich. Es zeigt, dass Fußball heute doch noch anders sein kann als Kommerz. Wenn es darum geht, Gutes zu tun, ist sogar das Fanlager egal, denn in Darmstadt gibt es ebenfalls Zusammenarbeit mit dem FC St. Pauli und Werder Bremen. Getrennt in den Farben – vereint in der Sache.

Ein weiteres Beispiel, auch vom HSV: Dort gab es im April 2015 bereits eine Typisierungsaktion, mit der damals Hoffnung für Simon entstand. Der Fußball könnte Menschen retten, wenn er will. Er kann ohne Frage eine Bühne für Gewalt und sonstige Auswüchse sein, die wir alle nicht brauchen. Aber er kann auch – und vor allem – Gutes schaffen, weil er Menschen verbindet. Arm und reich, unterschiedliche soziale Schichten, frei von Diskriminierung jeder Art, die Liste ist endlos lang. Fußball ist für jeden da. Und somit ist am Sonntag das erste richtige Wiedersehen der „Rauten-Lilien“, derjenigen Leute aus den Fanabteilungen von Hamburg und Darmstadt, die gemeinsam etwas auf die Beine gestellt haben, das auch weiter tun und sich sympathisch sind, obwohl ihre Teams im Tabellenkeller feststecken und heftigste Konkurrenten sind. Wobei: Eigentlich müsste es ja „Lilien-Rauten“ heißen, da immer der Verein zuerst genannt wird, der in der Tabelle vorne steht…

Die neue Aktion

Natürlich machen wir etwas gemeinsam am kommenden Sonntag! Dazu gebührt zunächst einmal dem SVD-Sponsor PEAK98 ein großes Dankeschön. Die üblichen Losaktionen an den einzelnen Spieltagen bringen karitativen Einrichtungen in Darmstadt und Umgebung jedes Mal einen warmen Geldregen, der zum Teil bitter nötig ist. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Aktionen, werden Lose auch im Gästeblock verkauft. Normalerweise bietet PEAK98 als Preise SVD-Fanartikel oder Dinge mit sonstigem SVD-Bezug an. Der HSV macht diesmal mit und stiftet für die Gästeblock-Lose eigene Preise – und verkauft diese Lose, wie vor knapp acht Monaten wir, durch eigene ehrenamtliche Helfer.

Die Einnahmen kommen diesmal sogar einer Fußballmannschaft zugute: Das Team der Wichernschule aus der Nieder-Ramstädter Diakonie, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, benötigt finanzielle Unterstützung, um bei den Special Olympics teilnehmen zu können. Weitere Infos hierzu, samt einem Video mit Marcel Heller, findet Ihr hier: http://social.peak98.de/alle-projekte-liste/ein-lernort-fuer-geistige-koerperliche-und-motorische-entwicklung

Und da wir hoffen, dass die Idee, gemeinsam soziale Einrichtungen zu unterstützen, auch umgekehrt in Hamburg funktioniert, werden wir beim Auswärtsspiel in Hamburg am 30. Spieltag für eine Hamburger Sozialeinrichtung im Gästeblock Lose verkaufen.

Zurück zum Sport

Wenn das Spiel am Sonntag läuft, dann ist „Brot-und-Spiele-Zeit“. Raus aus dem Alltag, weg von der „anderen Ebene“, die es noch gibt. Alles für die Lilien! Egal was in den letzten Spielen war, wir können und werden als Darmstadt 98 immer nur dann stark sein, wenn wir alle an einem Strang ziehen und uns gegenseitig helfen. Knodderer, Durch-die-Lilienbrille-Gucker und alle selbsternannten Realisten. Ich persönlich vermisse bei uns allen den „Pokalspiel-Modus“, der uns in den letzten Jahren so ausgezeichnet hat. Ich bin total heiß darauf, dem Verein, der am Sonntag um 15.30 h seit 53 Jahren und 102 Tagen ununterbrochen in der Bundesliga spielt, ein Bein zu stellen, einen Pokal-Fight zu liefern – mit hoffentlich anderem Ende als 1987. Noch wer?

Autor: Markus Sotirianos

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