Spielbericht SV 98 – 1. FC Nürnberg

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Es ist ungemütlich und nasskalt im Merck Stadion am Böllenfalltor als Schiedsrichter Christof Günsch das letzte Testspiel der Lilien vor dem Start in die Bundesligarückrunde anpfeift. Das kuschelige Nebeneinander – wie bei den Königspinguinen am Südpol -, das bei ausverkauften Bundesliga-Heimspielen an kalten Tagen vorherrscht und die Temperatur gefühlt um 5 Grad senkt, fällt an diesem tristen Samstagnachmittag aus. 3.000 Zuschauer trotzen dem Wetter und wollen die Partie sehen. Immerhin: Getränke und Bratwurstbrötchen sind schnell geordert und auch Frauen und Mädchen müssen keine gefühlte Ewigkeit vor den Damen-WC Schlange stehen.

Die erste Spielminute – spielentscheidend

Es dauert nicht lange und den 98er-Fans bleibt vermutlich der erste Schluck im Halse stecken: Sebastian Kerk vom Zweitligisten 1. FC Nürnberg tritt an zum Eckball … und verwandelt direkt. Oder war da noch jemand am Ball? Dazu gleich mehr. Die meisten der mitgereisten 250 Club-Fans stehen meines Erachtens noch an, um sich mit Getränken und Essen einzudecken, als das 0:1 auf der Anzeigetafel erscheint. Auch Lilientrainer Dirk Schuster trifft – und zwar den Nagel auf den Kopf. Er fasst das Spiel am Ende so zusammen: „Wir haben vor Augen geführt bekommen, dass wir defensiv immer zu 100 Prozent da sein müssen“.

Offensive ohne Biss

Und um es vorweg zu nehmen: Alles in allem war es von beiden Mannschaften sein schwaches Spiel, in dem der Traditionsclub aus Franken leicht überlegen war. Die Offensive der 98er hatte keinen Biss – auffällig, gerade bei den Heimspielen. Gut, in der Hinrunde haben die Südhessen beim Gegner reichlich gepunktet – selbst da, wo man es nicht für möglich gehalten hätte. Aber zu Hause wollen wir auch mal wieder ausgelassen feiern. Der letzte Sieg am Bölle? Das war gegen Hannover 96 in der 2. Hauptrunde des DFB-Pokals am 27. Oktober letzten Jahres (2:1).

Einmal Lilie, immer Lilie!

Zurück zum Führungstreffer: Wer war denn nun tatsächlich der Schütze? Denn einige Medien berichten, dass ausgerechnet Hanno Behrens, Darmstädter Aufstiegsheld aus dem Vorjahr, den Ball gegen seinen Ex-Verein versenkt hat. Auch die Zeitlupe im ClubTV, dem Internet-TV-Sender des 1. FCN, gibt keine Auflösung. Der glücklichen Ex-Lilie entlockt der Sender nach dem Abpfiff: „Das Tor habe ich, glaube ich, nicht geschossen. Irgendwie war der Ball zwischen uns, ich weiß nicht, ich war ehrlich gesagt, nicht dran. Aber es war ein guter Test.“ Schon klar Hanno, dein Club ist schließlich als Sieger vom Platz gegangen. Trotz allem: Unser Anhang vergisst nicht, und verabschiedete Hanno bei der Auswechselung in der 72. Minute gebührend mit Applaus und Sprechchören. Einmal Lilie, immer Lilie! Eine schöne Geste. Hier ticken die Uhren halt anders.

Bollwerk geknackt – Gegenwehr harmlos

Es verwundert aber, dass Schusters Mannschaft in Bestbesetzung – zugegeben, nur Sandro Wagner fehlte aufgrund einer Verletzung -, so schnell unter die Räder geriet und zurücklag. Zwar ließ die Gegenwehr des Aufsteiger nicht lange auf sich warten, doch dem Ausgleich rannten die Lilien 89 Minuten mehr oder minder vergeblich hinterher. In der 6. Spielminute erarbeitete sich die ganz in Blau spielenden 98er noch die beste Torchance: Kapitän Aytac Sulu leitet einen tollen Spielzug ein und spielt einen langen Ball auf Konstantin Rausch, dieser weiter zu György Garcis, der den freistehenden Dominik Stroh-Engel im Strafraum mit einer maßgeschneiderten Flanke bedient. Doch dessen Kopfball springt Torhüter Patrick Rakovsky vom Boden aus genau in die Arme. In der 10. Minute fehlt es offenbar an Mut, um auszugleichen. Stroh-Engel, Marcel Heller und Rausch sorgen für helle Aufregung im gegnerischen Strafraum, aber die Chance verpufft einfach. Bis zur ersten halben Stunde folgen noch einige sehenswerte Spielzüge der Lilien bis in den Strafraum, doch ernste Sorgen müssen sie die Nürnberger nicht machen. Zittern müssen eher die Lilien. In der 31. Minute schießt Kevin Möhwald am Elfer freistehend den Ball weit über Mathenias Kasten in den Darmstädter Abendhimmel – das hätte das 0:2 sein müssen. Vielleicht hätte es dem Spiel gut getan.

Massig Auswechslungen, wenig Spielfluss, viel Verdruss

Denn der Rest der zweiten Halbzeit sowie der Rest des Spiels plätschern größtenteils vor sich hin. Hier und da noch einige Torchancen, nicht unbedingt zwingend, geschweige denn sehenswert. Zu allem Überfluss begannen beide Cheftrainer ab der 46. Spielminute mit einer wahren Auswechsel-Orgie. Für die Lilien kamen noch Fabian Holland, Junior Diaz, Milan Irvana, Yannick Stark, Sandro Sirigu, Benjamin Gorka, Tobias Kempe, Florian Jungwirth und Marco Sailer zum Zuge. Dadurch geriet der ohnehin lahme Spielfluss komplett ins Stocken. Eventuell war dies auch der Hauptgrund für die überwiegend schlechte Stimmung am Bölle, an diesem ungemütlichen und nasskalten Samstagnachmitag. „Wenn wir unsere Tugenden nicht abrufen, bekommen wir riesige Probleme“, resümierte Schuster nach der Niederlage. Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen…

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