Kampf um Freiheit, Demokratie und den Ball

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Sócrates, Didier Drogba und Deniz Naki. Drei Fußballer, welche in der Regel nicht in einem Atemzug genannt werden, dennoch haben sie eines gemeinsam, sie kämpften und kämpfen für eine Verbesserung der politischen Lage in ihrem Land.

Democracia Corinthiana

Sócrates war nicht nur Kapitän in der Seleção und bei Corinthians Sao Paulo, er war auch Kämpfer für Freiheit und Demokratie zu einer Zeit, als Brasilien durch eine Militärdiktatur regiert wurde. Zunächst nutzte er mit weiteren Spielern den Verein als „Versuchsraum“ für das Leben. Ein Mensch – eine Stimme. Ganz egal ob Masseur oder Spieler, Entscheidungen wie Spielerverpflichtungen wurden unter der Democracia Corinthiana mehrheitlich getroffen. Diese Demokratie im Kleinen beherbergte den Traum vieler Brasilianer, der Diktatur zu entkommen. So weitete sich das Engagement des Vereins aus und die Bewegung setzte sich für eine Direktwahl des Präsidenten ein. Der Doktor, wie Sócrates aufgrund seines Medizinstudiums genannt wurde, machte seinen Wechsel zum AC Florenz davon abhängig ob der Kongress Direktwahlen zu ließe, und versprach dem brasilianischen Volk in diesem Fall zu bleiben. Die Zweidrittel- Mehrheit im Kongress konnte jedoch nicht erzielt werden, und Sócrates ging nach Italien. Dies und viele andere Aktionen der brasilianischen Bevölkerung führten jedoch zum Fall der Militärdiktatur, und Sócrates kehrte bereits ein Jahr später zurück.
Im Alter von 57 Jahren verstarb Socrates am 4. Dezember 2011 nur wenige Stunden bevor Corinthians Sao Paulo die 5. Meisterschaft in der Vereinsgeschichte gewann. (1,2)

Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste

Wenn in deinem Land Krieg ist, Kinder mit Gewehrkugeln statt mit Bällen schießen, dann ist es egal ob die Welt dich liebt, dann musst du handeln und genau dies tat Didier Drogba. Ethnische Konflikte führten zu Beginn der 2000er zu einer Teilung der Elfenbeinküste. Im Süden war die Regierung an der Macht, im Norden die Rebellen-Truppen. Während beide Parteien sich bekriegten, konnte sich die ivorische Nationalmannschaft am 8.10.2005 3:1 im Sudan durchsetzen und sich erstmals für eine WM-Endrunde qualifizieren. Im Moment des größten sportlichen Erfolges schnappte sich Kapitän Didier Drogba das Mikrofon und richtete sich an beide Konfliktparteien. Er bat auf Knien, die Waffen ruhen zu lassen und sich zu vergeben. Seine gesamten Teamkollegen taten es ihm gleich.

In den Folgewochen ruhten die Waffen und die Politiker verhandelten in den kommenden zwei Jahren den Frieden. Doch dies war Drogba nicht genug, er wollte eine Brücke zwischen dem Norden und Süden bauen. Als er Ende 2006 erstmals zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt wurde, bat er Präsident Laurent Gbagbo in die Rebellenhochburg Bouaké reisen zu dürfen und sich dort samt Pokal zu zeigen.

Im März 2007 wurde der Friedensvertrag von Ouagadougou unterzeichnet. Im gleichen Monat reiste Drogba nach Bouaké. Auf den Straßen waren unzählige Menschen, die ihn willkommen hießen und als er verkündete, dass er wieder komme, diesmal mit der gesamten ivorischen Nationalmannschaft, kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Wenige Monate später wurde ein wichtiges Qualifikationsspiel zur Afrikameisterschaft in Bouaké ausgespielt. Die Elefanten gewannen gegen Madagaskar und das gesamte Land war in einem Jubelrausch. Die Brücke zwischen Nord und Süd war gebaut und nur wenige Wochen nach dem Spiel wurden an gleicher Stelle Waffen verbrannt und der Krieg in einer feierlichen Zeremonie für beendet erklärt.

Es war kein Frieden auf Dauer, nach einer Regierungskrise brannte der Bürgerkrieg im Jahr 2010 wieder auf. (1,3)

Gerichtsverfahren und körperliche Gewalt – Deniz Naki in der Türkei

Große Aufregung gab es vor wenigen Wochen rund um Deniz Naki. Der ehemalige Spieler des FC St. Pauli und des SC Paderborn war mit seinem Wagen auf der A4 bei Düren unterwegs, als auf ihn geschossen wurde. Glücklicherweise blieb er bei diesem Anschlag unverletzt. Er selbst vermutet den türkischen Geheimdienst hinter dem Attentat. Auch wenn es nicht bewiesen ist, erzeugt allein diese Vorstellung bereits großes Unwohlsein. Als Kämpfer für die Kurden und Kritiker der Erdoğan -Regierung ist Naki zur Zielscheibe von türkischen Nationalisten geworden.

Der Deutsch-Türke spielt mittlerweile für den Drittligisten in Diyarbakır im Südosten der Türkei. In der Region leben die meisten Kurden und sein Klub Amed SK wird von manchen als die heimliche kurdische Nationalmannschaft gesehen (4). Dies birgt großes Konfliktpotential, denn die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden nehmen in den vergangenen Jahren wieder verstärkt zu. So begann die Spielzeit 17/18 bereits mit einem handfesten Skandal. Naki legte sich den Ball für einen Freistoß zurecht, als ein Fan der Heimmannschaft Mersin İY auf den Platz stürmte und ihn niederschlug. Doch Naki steckte den Schlag weg und nachdem der Angreifer von der Polizei weggebracht worden war, spielte er weiter. Anfeindungen ist der Kicker mittlerweile gewohnt, denn er protestiert ganz offen gegen die Kurdenpolitik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Als er bereits im Jahr 2015 zu Amedspor wechselte und kurz darauf das Siegtor im Pokal-Achtelfinale gegen Bursaspor schoss, widmete er den Sieg den Opfern des türkisch-kurdischen Konflikts und wurde prompt für 12 Spiele gesperrt (5)!

Doch Naki lässt sich nicht unterkriegen und sagt was er denkt. Im weiteren Verlauf klagte ihn die türkische Staatsanwaltschaft an für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK Terrorpropaganda betrieben zu haben. In einem ersten Verfahren wurde Naki frei gesprochen, doch die Staatsanwaltschaft ließ nicht locker und ging in Berufung, in welcher Naki im November 2016 nun zu 1,5 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Strafe wurde für fünf Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Der in Düren geborene Naki hätte es sich nun einfach machen und zurück nach Deutschland gehen können. Doch er blieb, spielt weiter für seinen Klub Amedspor, erträgt Anfeindungen, gar körperliche Gewalt und lebt mit dem Gewissen, dass er für seinen Kampf eventuell ins Gefängnis muss. „Azadi“ ist in großen Lettern auf seinem Unterarm tätowiert, es ist das kurdische Wort für Freiheit.

Neben diesen drei Spielern gibt es noch weitere, die sich gegen das politische System auflehnten, als Empfehlung sei der Film „Rebellen am Ball“ genannt:

Autor: David Saar

Quellen: