In dieser neuen Rubrik wollen wir immer mal wieder einen Blick zurück in die Vergangenheit wagen.
Ralf Panzer berichtet über die Saison 93/94
Die Lilien in der Saison 1993/94
Seit der Saison 1971/72 spielten die Lilien unentwegt zweitklassig – sieht man einmal von den beiden Bundesliga-Jahren 1978/79 und 1981/82 ab. Längst hatte sich Darmstadt an die Lilien als etablierten Zweitligisten gewöhnt. Doch mit Ablauf der Spielzeit 1992/93 stand fest, dass die 98er als Absteiger aus der 2. Bundesliga nur noch als Hessischer-Amateuroberligist geführt werden würden. Nach 22 Jahren waren die Blau-Weißen wieder drittklassig.
Die Saison 1993/94 führte die vom Abstieg finanziell gebeutelten 98er in erster Linie auf hessische Dörfer. Vereine wie der FSC Lohfelden, der SV Mörlenbach, die SG Egelsbach oder Rot-Weiß Walldorf kämpften fortan mit den Lilien um Punkte.
Neben der Tatsache, dass eine völlig neuformierte Mannschaft mit vielen Namenlosen am Böllenfalltor sich zum ersten Training unter dem neuen Trainer Gernot Lutz einfand, musste zudem die Qualifikation für die neugeründete Regionalliga Süd zur Saison 1994/95 bewerkstelligt werden. Kein leichtes Unterfangen, aber die Lilien profitierten von einem Punkteschlüssel, der die letzten drei Spielzeiten berücksichtigte. Insofern Glück im Unglück, denn aufgrund der langjährigen Zweitligazugehörigkeit starteten die Lilien mit einem komfortablen Punktepolster auf die Konkurrenz in die „Qualifikationssaison“.
So sammelten sich stattliche 51 Qualifikationspunkte an. Dem punktbesten Sextett sollte mit Ablauf der Spielzeit 1993/94 dann der Zugang zur neugeschaffenen Regionalliga Süd gewährt werden, wobei die aktuelle Saison dreifach gewertet werden würde. Obacht war geboten.
Keiner wusste am Böllenfalltor, wie der neuformierte SV Darmstadt 98 unter den Fans angenommen werden würde. Um es vorweg zu nehmen: Zwar kamen im Schnitt nur 1.909 zahlende Besucher zu den Heimspielen ans Bölle, was den niedrigsten Schnitt nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete, dennoch zeigte man sich durchaus positiv davon überrascht, wie die Mannschaft angenommen wurde. Es hätte schlimmer kommen können…
Der erste Spieltag führte die Lilien zur SG Höchst. Dass einige Lilienfans davon ausgingen, sie müssten im Odenwald antreten und somit auf einem völlig falschen Sportplatz landeten, konnte damals als bittersüße Randnotiz verzeichnet werden. Korrekterweise führte die erste Oberliga-Partie die 98er nämlich nach Frankfurt.
Rund 2.000 Zuschauer bescherten der SG Höchst einen Zuschauerrekord, wobei das Groß aus Darmstadt anreiste. Am Ende holten die Lilien beim 1:1 einen Zähler.
Und auch die nachfolgenden Partien gegen Hessen Kassel (3:2, zweifacher Torschütze Carsten Lakies), gegen den SV Wehen (2:1) und beim 2:1-Auswärtssieg in Mörlenbach vor 4.200 Zuschauern (!) ließen die Lilien von besseren Tagen träumen. Tabellenplatz zwei nach vier Spieltagen verdiente Respekt.
Bedauerlicherweise folgten aber Nackenschläge, denn in den folgenden fünf Partien glückten lediglich zwei Remis. Die Mannschaft um die verbliebenen zweitligaerfahrenen Dieter Heimen, Gerhard Kleppinger und Martin Kowalewski rangierte plötzlich nur noch im grauen Ligamittelfeld.
Der SVD zeigte durch die gesamte Saison hinweg schwankende Leistungen und pendelte kontinuierlich zwischen dem sechsten und elften Tabellenplatz hin und her.
Eines der rar gesäten Highlights der Oberligasaison sollte das Derby gegen Kickers Offenbach am 15. Spieltag sein. Dass sich aber am Ende nur der Schatzmeister der Lilien die Hände reiben durfte – es kamen 5.800 Zuschauer – lag an einem OFC-Spieler namens Michael Hartmann, der die Lilien nahezu im Alleingang abschoss. Unter Flutlicht erzielte Hartmann vier Treffer bei der 1:5-Demontage des SV 98.
Nach einer 0:1-Heimniederlage gegen Mörlenbach am 20. Spieltag trennten sich die Wege von Gernot Lutz und den Lilien. Gerhard Kleppinger sollte fortan als Spielertrainer die Geschicke der Lilien auf dem Platz bestimmen. Und das Glück schien „Kleppo“ zunächst hold:
Mit einer kleinen Serie vom 21. Bis 25. Spieltag von drei Siegen und zwei Unentschieden konnten sich die 98er im gesicherten Mittelfeld etablieren und somit relativ sicher die Planungen für die bevorstehende Regionalliga Süd vorantreiben. Dem Punkteschlüssel sei Dank, denn hätte der Hessische Fußballverband lediglich die bestplatzierten Teams der aktuellen Saison aufsteigen lassen, wäre die Qualifikation in die neugeschaffene dritthöchste Spielklasse des DFB höchstwahrscheinlich nicht geglückt.
Am drittletzten Spieltag sollte es zur erhofften Revanche auf dem Bieberer Berg für die 1:5-Schlappe gegen den OFC vor heimischer Kulisse kommen. So hoffte man zumindest auf Seiten der Lilien, doch erneut zog man den Kürzeren. Zwar glückte Andreas Rüppel kurz vor dem Pausenpfiff der Führungstreffer für die Lilien, doch nach 56. Spielminuten gelang Offenbachs Holger Wolf der Ausgleichstreffer zum 1:1. In einem hitzigen Derby vor 3.500 Zuschauern unter Flutlicht handelten sich Carsten Lakies (67.) und Ramon Kablinovic (90.) zunächst jeweils die gelb-rote Karte ein, ehe Thomas Biehrer mit dem Schlusspfiff der 2:1-Siegtreffer für die Kickers gelang.
Letztendlich ging eine durchwachsene Saison, die dem Neuaufbau geschuldet war, zumindest mit der anvisierten Qualifikation zur Regionalliga am vorletzten Spieltag doch noch halbwegs versöhnlich zu Ende. Mit 33:35 Punkten und 39:46 Toren landeten die Lilien letztendlich auf dem neunten Platz der Oberliga Hessen. Im Ranking der gesammelten Qualifikation der landeten die Lilien mit 81 Punkten (17+17+17+3×10) hinter dem FSV Frankfurt, Kickers Offenbach und der SG Egelsbach“nur“ auf dem vierten Platz, aber das interessierte letztendlich keinen mehr so richtig.
Dietmar „Atze“ Rompel, Thomas Schmidt und all die anderen Spieler hatten es geschafft den totalen Absturz in die Bedeutungslosigkeit der 98er zu verhindern.