Blick über’n Tellerrand – Chelsea gegen Norwich

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Über den Tellerrand:

Groundhopping-report (1) 

Stamford-Bridge (FC Chelsea London)

“The special one”

José Mourinho ist ein Bus

Wenn ich mich als Fan des FC Chelsea oute, dann höre ich oft, dass ich ein „Erfolgsfan“ sei und nur wegen Roman Abramowitschs Millioneninvestment Anhänger der „Blues“ geworden sei. Nein, Mitnichten, mit Chelsea halte ich es schon seit den 80er-Jahren, als der Verein noch zwischen erster und zweiter Liga pendelte und der reiche Russe noch lange nicht auf der Bildfläche war.

Als meine Freundin Gina und ich beschlossen ihre in London lebende Cousine im November 2015 zu besuchen, wollte ich unbedingt ein Match der „Blues“ an der „Stamford-Bridge“ besuchen. Das Problem indes war nur, dass auf Seiten des CFC keine Tickets verfügbar waren. „Sold out“, ausverkauft!

Da Not bekanntlich erfinderisch macht, rief ich kurzerhand bei Chelseas Gegner an, bei Norwich City. Ich flunkerte, dass ich der „weltgrößte Norwich-Fan in Darmstadt“ sei und ob ich Karten für den Gästeblock beziehen könnte. Kein Problem, so Phil vom Norwich Ticketcenter. Die Bestellung sollte ich im Internet vornehmen und ein Ticket würde nur 15 £ kosten!!! Billig, aber zugegebenermaßen klingen die Zahlen 15 und 50 auf genuschelten Englisch durch knackende Telefonleitungen äußerst ähnlich…

Jene falsche Preisangabe wurde mir bei der Bestellung der Tickets dann auch prompt zum Verhängnis. Auf der Homepage der „Kanarienvögel“, so Norwichs Spitzname, standen Tickets zum Preis von 50 £ und sogenannte „Coaches-Tickets“ für 21 £. Ich dachte mir, dass wahrscheinlich bei der preisgünstigen Variante Vorverkaufsgebühren u.ä. einfließen würden – 21 £ sind ja nicht so weit von 15 £ entfernt. Den Begriff „Coaches-Tickets“ erklärte ich mir so, dass die Plätze wahrscheinlich auf Höhe der Torauslinie liegen und schlechtere Sichtverhältnisse bieten würden; so wie eben aus der Sichtweise des Coaches, des Trainers.

Nachdem mehrere Buchungen der Tickets scheiterten, setzte ich mich wieder mit Phil in Verbindung, der mir erklärte, dass ich nicht die „Coaches-Tickets“ buchen könne, sondern die Karten für 50 £ ordern müsse. Letztendlich war es mir auch egal, denn schließlich wollte ich nur einmal in meinem Leben ein Chelsea-Spiel an der Stamford-Bridge besuchen.

Erst einige Tage später wurde mir erklärt, was es mit den preisgünstigen „Coaches-Tickets“ auf sich hatte: In England wird  der Trainer eines Teams als Manager tituliert und nicht als Coach. Ein Coach ist im Englischen die Vokabel für einen Überlandbus, der von einer Stadt in die andere fährt. Ausschließlich Busse im innerstädtischen Verkehr werden als „bus“ bezeichnet. Wieder was gelernt, Fußball bildet!

Das Spiel verfolgte ich mit meiner Freundin und deren Cousine im legendären, altehrwürdigen  „Shed-End“, Norwichs Gästeblock. Zudem verabredete ich mich mit Phils Kumpel Mark, der mir einige Fanartikel von den „Canaries“ mitbrachte und mir schenkte. Sehr sympathisch und der Beginn einer deutsch-britischen Fußball-Freundschaft.

Aufgrund der Tatsache, dass es in England seit dem „Taylor-Report“ nur noch Sitzplätze gibt, leidet die Stimmung in den Stadien auf der Insel. Nur sporadisch schnappte ich Anfeuerungsgesänge auf. Norwich beschränkte sich gar nur auf das Rufen „Yellows“, immerhin im Wechselgesang.

Das überraschenderweise im Tabellenkeller stehende Chelsea-Team von Coach (pardon: Manager) José Mourinho siegte mit 1:0, was unter den Blues-Anhängern den spontanen britischen Humor aufblitzen ließ: „We‘ll stay in!“ schallte mit beißender Ironie durch das 41.000 Zuschauer fassende Stadion.

Da das Match noch ganz im Zeichen der Anschläge von Paris stand, wurde aus Solidarität zu Frankreich die Marseillaise vor Spielbeginn abgespielt. Die Chelsea-Fans ließen zudem eine riesige Tricolore durch ihren Block wandern, was in jenen schrecklichen Tagen des Terrors auf mich äußerst beeindruckend und stimmungsvoll wirkte.

Nach dem Spiel setzten sich meine beiden Begleiterinnen und ich in einen der unzähligen roten Doppeldeckerbusse und fuhren heimwärts. Dieses öffentliche Verkehrsmittel nennt der Brite „bus“, nicht „coach“. I‘ve learned my lesson well!

Autor: Ralf Panzer

Passend dazu das Vereinsporträt von Norwich City FC 

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