China – der Weg zur Fußballweltmacht (Teil II)

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Der erste Kick der chinesischen U20-Nationalmannschaft im Rahmen der Regionalliga-Südwest-Testspiele ist abgepfiffen. Es verlief nicht ganz ohne Aufregung, denn das Zeigen von Tibet-Fahnen während der ersten Halbzeit sorgte dafür, dass die Chinesen sich weigerten das Spiel fortzusetzen. Erst nachdem die Zuschauer freiwillig (so der Kicker (1)) ihre Fahnen einpackten, konnte das Spiel fortgesetzt werden. Zu erwähnen ist jedoch, dass auf die Zuschauer fast eine halbe Stunde von offizieller Seite eingeredet wurde. Während in Deutschland das Zeigen tibetischer Fahnen nicht verboten ist, steht es in China unter Strafe. Solch ein Vorfall ist in der Chinese Super League undenkbar. Und genau auf diese Liga wollen wir in unserem zweiten Teil von „China – der Weg zur Fußballweltmacht“ den Fokus setzen.

Einsteigen wollen wir mit dem Aufräumen eines Missverständnisses, denn in Deutschland kann man den Eindruck erhalten, dass die chinesischen Klubs wie wild ausländische Fußballstars verpflichten. Peter Stögers Zitat aus dem Juli unterstreicht das nochmals. So sagte der FC-Trainer: „Ich habe das Gefühl, dass ich der einzige Mitteleuropäer bin, der kein Angebot aus China oder Japan hatte.“ Doch die Ausländer-Regelung wird ständig verschärft! Seit Anfang der Saison dürfen zwar fünf Ausländer pro Verein angemeldet werden, es dürfen jedoch nur drei gleichzeitig auf dem Platz stehen. Zudem muss ein chinesischer U23-Spieler in der Startelf spielen.

Während sich in früheren Jahren gealterte Fußballstars auf den Weg nach China machten, um nochmal richtig abzukassieren, spielen mittlerweile auch Kicker mit besten Perspektiven in Europas Topligen im Reich der Mitte. Ein paar Namen gefällig? Axel Witsel, Hulk, Jackson Martinez, Carlos Tevez, Ezequil Lavezzi, Oscar, Anthony Modeste… Der Kulturschock, der auf sie einprasselt, ist enorm. Asien und speziell China ist eine Welt für sich und selbst Kicker, die in einer Weltmetropole wie Shanghai unterkommen, lassen sich diesen Schock fürstlich entlohnen. „Viele spannende Aufgaben“ kämen beispielsweise in China auf Lavezzi zu und die chinesische Kultur interessiere ihn, deshalb hätte er Angebote aus Mailand und London ausgeschlagen. Keine Angst, liebe Lilienfans, der Name des argentinischen Nationalspielers muss Euch nicht bekannt vorkommen, doch er verdeutlicht, welch abstruse Gehälter in China gezahlt werden. Denn eben dieser Lavezzi war vergleichsweise (ohne Berücksichtigung der Werbeverträge) der bestbezahlteste Fußballspieler im Jahr 2016. Für seinen Wechsel zu Hebei China Fortune kassiert er bis zum Ende seines Vertrages am 31.12.2017 sage und schreibe 56,7 Millionen US$. Netto. 26,7 Millionen US$ mussten hierbei bereits 9 Tage nach seiner Vertragsunterzeichnung bei seiner Hausbank sein (2).

Der Irrsinn kennt scheinbar keine Grenzen, denn Carlos Tevez verdient seit seinem Wechsel Anfang Januar 2017 zu Shanghai Shenua 500.000 € pro Woche. Und welche Leistung bekommt nun der Verein? In 30 Ligaspielen stand Tevez gerade 16 Mal auf dem Platz, schoss 4 Tore und bereitete 5 Treffer vor. Besuche in Vergnügungsparks, während die Teamkollegen um Punkte kämpften, sorgten für Unmut – und letztlich sei Tevez sowieso „zu dick“, so Trainer Wu Jingui. Er hat ohnehin nur noch wenig Lust auf das „Klub-Aushängeschild“. Tevez ist nicht der einzige Fall, auch mit anderen Stars gab es schon Ärger, selbst auf dem Platz. So wurde Oscar nach einem harten Foul für acht Spiele gesperrt (3).

Grund genug, mehr auf die chinesischen Spieler zu bauen, aber qualitativ hochwertige Spieler sind rar und die Ausländer-Regelung zwingt die Vereine, gute chinesische Spieler in ihren Reihen zu haben. Angebot und Nachfrage steigern den tatsächlichen Marktwert und so wird oftmals mehr als das Zehnfache dessen bezahlt. (4)

Während somit die Qualität der Liga bestenfalls mit der zweiten Bundesliga zu vergleichen ist, wird im Hintergrund alles dafür getan, um nachhaltig die Liga auf Platz 1 in Asien zu schieben. Man möchte in den nächsten Jahren Korea und auch Japan überholen. Dass man auf einem guten Weg ist, zeigen die Ergebnisse von Serienmeister Guangzhou Evergrande in der asiatischen Champions League, die sogar 2013 und 2015 gewonnen werden konnte. Damit nicht nur reiche Investoren das Geld in die Vereine pumpen, wurde 2015 erstmals frei über die TV-Rechte verhandelt. Während 2014 noch rund 7 Mio. € an die Klubs flossen, waren es 2016 bereits 174 Mio. € und in den nächsten fünf Jahren fällt die 1-Mrd.-€-Marke. Damit hat es China aus dem Stand heraus in Sphären der englischen Premier League geschafft. Auch der Zuschauerzuspruch ist da. Im Durchschnitt sehen 25.000 bis  30.000 Fans die Spiele der Chinese Super League, das sind mehr Zuschauer als in der französischen Ligue 1 oder in der italienischen Serie A. Wer jetzt denkt „Ei, in China leben auch mehr Menschen“ – der hat Recht, aber das gibt auch ein Gefühl dafür, dass da noch deutlich mehr Potenzial ist. Und wo mehr Fans sind, da fließt auch mehr Geld. (5)

Der Riese China ist also erwacht. Es läuft noch nicht alles reibungslos, und obwohl man sehr viel Geld in den Fußball steckt, muss dies nicht unbedingt mit kurzfristigem Erfolg verbunden sein. Man hat sich Strukturen geschaffen und eingekauft, um eine langfristige Basis aufzubauen, der Weg zur Fußballmacht ist weit. Am Anfang der großen Fußballnationen wie Frankreich, Brasilien, England, Argentinien, Italien oder Deutschland stand die Leidenschaft zum Spiel, in China steht am Anfang vor allem eines – Geld.

Hier geht es zu:  China – der Weg zur Fußballweltmacht (Teil I)

Autor: David Saar

Quellen:

  1. http://www.kicker.de/news/fussball/regionalliga/startseite/710965/artikel_unterbrechung-bei-testpremiere-von-chinas-u-20.html
  2. http://www.spiegel.de/sport/fussball/football-leaks-ezequiel-ivan-lavezzi-verdient-in-china-56-7-millionen-dollar-a-1124554.html
    sowie das Buch „Footballs Leaks – die schmutzigen Geschäfte im Profifußall“ von Rafael Buchmann und Michael Wulzinger
  3. http://www.spiegel.de/sport/fussball/chinese-super-league-was-haben-all-die-top-spieler-gebracht-a-1177062.html
  4. Transfermarkt.de
  5. Zeitspiel – Magazin für Fußball-Zeitgeschichte, Ausgabe #7, 1/2017