Auswärtsspiel im Wohnzimmer: Vom Leben der „Hooligans“

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Wie das ja oft so ist mit dem Denken, dem Anders-kommen, dem So-isses und dem Wünsch-dir-was, so war es auch an diesem Pfingstsonntag. Denn eigentlich bin ich niemand, der Trubel braucht und sich feiert oder das lassen möchte, aber dann saß ich doch mit Freunden auf ein Glas zur „Schnapszahl“ im Biergarten, nuckelte an meinem Wässerchen und schaute betreten zu Boden, weil mir plötzlich Geschenke überreicht wurden. Tja und so hatte ich ihn nun in der Hand, diesen unscheinbaren Zettel – „Wissen ist Kultur erleben“ stand da drauf, und auf der anderen Seite „Auswärtsspiel, Philipp Winkler – Hool“.

Am Mittwoch, 21. Juni sollte sie also stattfinden, die Lesung im Böllenfalltor. Mit einem scheinbar gefeierten Autor und dessen Debütroman, von dem ich zumindest bis zu dem Moment, als mir Eintrittskarte und Buch überreicht wurden, noch nie gehört hatte.

Die Freunde, von denen ich die Karte bekam, würden auch kommen, vom Buch hatte ich inzwischen etwa ein Drittel gelesen und was ich gelesen hatte, machte Lust auf mehr und vor allem auf diesen Abend. Zudem war ich vor rund einem Jahr bei der von der FuFa veranstalteten Lesung mit Michael Kibler am Bölle und hatte das als sehr schöne Veranstaltung empfunden – also Mittwoch ins Auto und HIN DA!!!

Schon komisch, eine Veranstaltung auf der Süd und auf der Karte stand was von Sitzplatz! Sitzen???!!? Da, wo man sonst bei Spielen zu Hause ist, da, wo es bei Heimspielen gefühlt immer brechend voll ist, vor allem aber da, wo man sonst steht? Wir waren mit Einlass da und in unserer Wahrnehmung war das einfach extrem wenig, auch wenn es sich dann später – so zirka zehn Minuten vor dem eigentlichen Beginn – noch etwas füllte und rund 100 Leute da waren, so war das einfach in dieser Tribüne auf der sonst 3000 Leute stehen, total verloren. Hätte – wie damals bei Kibler – auf den charmanten Sitzschalten im „A“ besser gepasst, oder auf den breiten Steinstufen im Gästeblock, unter den Bäumen und mit anderer Sicht, aber – naja, so war es zumindest ein Stück weit unbequem…

Die Lesung als solche war im Gegensatz zu der in meinen Augen nicht ganz so tollen Atmosphäre und Organisation der veranstaltenden „Centralstation“ wiederum echt gut. Philipp Winkler las aus verschiedenen Stellen des Buches und gab dabei einen guten Einblick zum Leben seiner Hauptfigur „Heiko“, der ein relativ bewegtes Leben lebt, in dem er eine Beziehung zu einer Drogenabhängigen führt(e), den Tod des Großvaters miterleben musste, durch den Vater und den Onkel mit Fußball, genauer mit „96“, in Berührung gebracht und dort sozialisiert wurde, und in dem er neben der eigentlichen Familie und dem Leben noch eine weitere Familie und ein weiteres Leben als und mit Hooligans fand.

Leider wurde eine Diskussion, die sicher wesentlich lebhafter und länger hätte sein können, etwas gehemmt durch eigene Erfahrung/Wahrnehmung und einleitend abschließende Worte einer der Veranstalterinnen. Da hätte man mehr draus machen können, gerade vor dem Hintergrund einer Lesung aus einem Buch, was sich eben auch mit Fußball, einer Art von Fansein und dem Leben als solchen beschäftigt und in einem Stadion gelesen wurde.

In Anlehnung an den „Kino-Tipp“ eines hessischen Radiosenders vergebe ich so leider nur „fünf von zehn möglichen Lesezeichen“.