Alles Gude, Dieter Rudolf!

ALLES GUDE, DIETER RUDOLF!

Unsere Torwart-Legende Dieter Rudolf feiert am heutigen 1. Mai seinen 69. Geburtstag und die gesamte Lilien-Familie gratuliert recht herzlich. Die Recherchen zu diesem Beitrag haben wieder einige Zeit in Anspruch genommen und so viel Material, große und kleine Storys rund um „Ronnie“, wie ihn Teamgefährten und Freunde damals nannten, hervorgebracht, dass es unmöglich scheint, sie alle zu erzählen. Einige davon wollen wir Euch aber anlässlich seines Ehrentages nicht vorenthalten.

Rudolf kommt 1952 in Schmitten im Hochtaunus zur Welt. Fußball spielt er von klein auf bei der örtlichen SG Oberreifenberg und wird dort als großes Torwart-Talent von Eintracht Frankfurt entdeckt, wo er bei den Amateuren in jungen Jahren zum Einsatz kommt. Dort trifft er auch auf weitere spätere Lilien-Legenden wie seinen Trainer Udo Klug, Ede Westenberger und Walter Bechtold. Klug lotst sie bei seinem Engagement am Böllenfalltor 1973 mit zu den Lilien und erschafft eine Mannschaft, die bis heute ihre Spuren in den Geschichtsbüchern des deutschen Fußballs hinterlassen hat. Rudolf hatte zuvor lediglich einen Einsatz für die Eintracht-Profis im Pokal 1971 gegen den 1. FC Köln (1:4), wo er mit Grabowski und Hölzenbein auf Overath und Flohe traf.

In Darmstadt wird er zunächst 2. Torwart hinter dem beliebten Stammtorhüter Uwe Ebert (später auch Lilien-Trainer). Doch als sich Ebert verletzt, wird Rudolf ins kalte Wasser geschmissen und macht seine Sache außerordentlich gut. Sein allererstes Lilien-Spiel macht er am 2. August 1974 beim 1. FC Saarbrücken, welches die Lilien knapp mit 0:1 im Ludwigspark verlieren. Es ist der Auftakt einer beispiellosen „Sport-Ehe“, wie er sein Verhältnis zum SV 98 einmal dem Darmstädter Echo beschreibt. Noch heute ist Dieter Rudolf der Torhüter mit den meisten Lilien-Spielen und steht insgesamt auf dem 3. Platz unserer Rekordspieler mit 372 Spielen. Er wird über Jahre der Rückhalt des Vereins und vermutlich liegen hier auch die Wurzeln für das Darmstädter Faible für ihre Torhüter begründet. Die sportliche Entwicklung zunächst unter Udo Klug und später unter Lothar Buchmann ist dabei rasant. Nach der ersten Süddeutschen Meisterschaft 1973 wird das Böllenfalltor 1975 weiter ausgebaut und die neue Haupttribüne eingeweiht. Rudolf und die Mannschaft haben damit für die damalige Zeit Top-Bedingungen, um den ganz großen Wurf mit den Lilien in Angriff zu nehmen.

Doch neben dem Sport war auch die berufliche Karriere für ihn immer von höchster Bedeutung. Mit seinem Engagement in Darmstadt begann er für die HEAG zu arbeiten, für die er weit länger als für den SV 98 – nämlich insgesamt 30 Jahre – als Führungskraft tätig war. „Um 7.15 Uhr saß ich pünktlich an meinem Schreibtisch und habe bis 15.45 Uhr gearbeitet. Ich wollte nie, dass irgendwer das Gefühl hat, ich bekäme Sonderprivilegien, weil ich ein Spieler der 98er war“, erklärte Rudolf 2018 im Echo-Interview. Er gehörte damit 1978 zu den Feierabendprofis, die als letztes deutsches Team in der Bundesliga Fußball und Beruf unter einen Hut gebracht haben. Entscheidend für den ersten Aufstieg in die Bundesliga sei das besondere Wir-Gefühl gewesen. „Ich habe elf Jahre in Darmstadt gespielt und bilde mir ein, fast alles erlebt zu haben. Diese Aufstiegsmannschaft ist für mich aber etwas ganz Außergewöhnliches. Als Deutschland 1954 Weltmeister wurde, sprach man vom ‚Geist von Spiez‘ am Thunersee. Bei uns Lilien herrschte der ‚Geist von Trautheim‘.“ Vor jedem Heimspiel sei das Team zum Essen im „Hotel Waldesruh“ gewesen, danach ging es in den Wald zum Spaziergang. „Wir haben uns dabei als Team total fokussiert, sodass die feste Überzeugung entstand, dass uns keiner schlägt.“

Aus dieser Überzeugung wird Realität. Die Lilien werden Erster und steigen am 19.05.1978 in Pirmasens erstmals in die Bundesliga auf. Und auch dort sorgten die Feierabendprofis für Furore, wenn auch eher mit kleinen Nadelstichen. Dieter Rudolf trägt mit fantastischen Leistungen seinen Teil zum ersten Bundesliga-Sieg gegen Dortmund (07.10.78 – 3:2 am Böllenfalltor) und anderen Highlights bei. Das Spiel seines Lebens ist allerdings wohl am 11.11.78 im Münchner Olympiastadion gegen den FC Bayern. Dieser hatte in der Vorwoche im Europapokal Ajax Amsterdam mit 8:0 weggefegt. Die Stars rund um Breitner, Beckenbauer, Hoeneß und Müller scheinen sich ihrer Sache gegen Darmstadt sicher zu sein. Zu sicher. Denn sie alle verzweifeln am Darmstädter Schlussmann, der sich lediglich Breitner per Elfmeter geschlagen geben muss. Als Uwe Hahn dann in der 89. Minute für die Lilien trifft, wird endgültig ganz Deutschland hellhörig, was die Lilien und ihren überragenden Torhüter angeht. Ein 1:1 gegen diese Bayern ist wie ein Ritterschlag für die 98er. Mit diesem Selbstvertrauen schlagen sie eine Woche später auch Borussia Mönchengladbach mit 2:0. Am Ende der Saison reichte es zwar leider nicht für den Klassenerhalt, doch die Lilien hatten sich mehr als teuer verkauft.

Nun lagen auch Rudolf einige lukrative Angebote vor, doch er blieb seinen Lilien treu. Er fühlte sich wohl, hatte mit seiner Frau ein Haus in Ober-Roden bezogen, zwei kleine Kinder und den Job bei der HEAG. Bessere Zukunftsperspektiven konnte ihm zu der Zeit kein anderer Verein bieten. Er blieb als einer der wenigen Spieler auch weiterhin im Job tätig, doch nach 1979 stellte auch der SV 98 auf Vollprofitum um. Die mannschaftliche Geschlossenheit litt darunter.

Bis Werner Olk die Lilien wieder in die Bundesliga führt – und im Tor steht auch hier selbstverständlich Dieter Rudolf. In dieser Saison verletzt er sich beim Spiel gegen den HSV jedoch schwer. Bis heute ist ungeklärt, wie das genau passiert ist, aber er bricht sich einen Lendenwirbel und wird beinahe sportinvalide oder gar querschnittsgelähmt. Doch mit viel Glück und mentaler Stärke übersteht Dieter Rudolf auch diese schwere Zeit. Und nicht zuletzt dank der vielen Briefe von Lilienfans, die ihm sehr viel Zuspruch in dieser Zeit geben. Er kämpft sich – wie es seine Art ist und war – zurück und spielt tatsächlich noch zwei weitere Jahre für den SVD, bis er 1984 nach elf Jahren „Gude“ sagt. Beim FC Arheilgen lässt er die Karriere dann langsam ausklingen. Dass er in seinem letzten Jahr von Trainer Zahnleiter einige Spiele auf die Bank verbannt wird, ist sicherlich einer der Gründe für den Abschied und auch kein wirklich respektvoller Umgang mit einem solch verdienten Spieler.

Das Ende hätten sich alle wohl schöner ausgemalt, doch die Verbindung zum Bölle und den Lilien ist für Rudolf natürlich auch danach nie abgerissen. Er musste in den Folgejahren mit ansehen, wie der Verein nach und nach tiefer in die Krise rutschte, in Schulden versank und die von ihm und den anderen Spielern aufgebaute, erfolgreiche Basis immer weiter zerbröckelte. Und da Dieter Rudolf immer ein Mann der Tat war, versuchte er 2003 diesen Fall selbst aufzuhalten: Er kandidierte als Gesicht und Präsidentschaftskandidat mit einem „Oppositionsteam“ gegen das Präsidium rund um Walter Grimm, scheiterte allerdings in einer geschichtsträchtigen Mitgliederversammlung nur dank einiger Winkelzüge der Amtsinhaber. Doch mit der Kandidatur läuteten Dieter Rudolf und die „Opposition“ den Abgesang der Ära Grimm und Wiesinger ein, die dann einige Jahre später tatsächlich endete. Von da an ging es dann auch wieder aufwärts und das bis hin zurück in die Bundesliga. Dass dies mit einer ähnlichen mannschaftlichen Geschlossenheit wie schon 1978 gelang, dürfte speziell Dieter Rudolf gut gefallen haben.

Wir wünschen dem heutigen Chef der Sportmanagement Firma SSP und einem der größten Lilien-Spieler aller Zeiten nur das Beste, Gesundheit und Glück zum Geburtstag und sagen „Danke“ für alles, was er für unseren Sportverein geleistet hat.

Alle Bilder: Vereinsarchiv