Fabian Ortkamp
- Bundesligasaison 2015/2016; 7. Spieltag
Borussia Dortmund – SV Darmstadt 1898
- September 2015
ehem. Westfalenstadion, Dortmund
Es gibt Fußballspiele, die für Spieler wie Fans einen Ausnahmestatus einnehmen. Als wir von der FUFA vor ein paar Wochen die Fragebögen unserer Profis für das bald erscheinende Saisonjournal ausgewertet haben, war die Antwort auf die Frage nach dem Highlight-Spiel unserer Jungs meist identisch: das Gastspiel beim BVB. Einmal im Westfalenstadion vor solch einer Kulisse auflaufen. Auch für viele Lilienfans wird es ein ganz besonderes Spiel, schlägt doch das Herz bei einigen Darmstädtern auch für den Arbeiterverein aus dem Ruhrpott.
Ich gehöre selbst dazu, meine Familie stammt aus dem Pott. Zudem habe ich eine spezielle Verbindung zum Westfalenstadion, da ich vor einigen Jahren ein halbjähriges Praktikum im Borusseum, dem Vereinsmuseum des BVB gemacht habe. Dieses befindet sich in der nordöstlichen Ecke des Stadions, also in unmittelbarer Nähe zum Gästeblock. Und so saß ich in meiner Mittagspause ab und an alleine auf den Stufen jenes Blocks und fragte mich beim Blick durch das menschenleere Stadion, wie es sein würde, unseren beschaulichen SVD vor so einer Kulisse zu sehen. Zu jener Zeit gastierten die Lilien noch bei der Zweitvertretung der Borussia im Stadion „Rote Erde“, welches als Relikt aus früheren Zeiten im Schatten seines gewaltigen Nachfolgers liegt. Gut möglich, dass nächsten Frühling viele Dortmunder beim Besuch in unserem Bölle Vergleiche zu ihrer traditionsreichen Kampfbahn anstellen werden.
Doch zurück in die Gegenwart! Es wird in jedem Fall ein Rekordspiel für die Lilien. Niemals zuvor hat der Sportverein vor über 80.000 Zuschauern gespielt. Auch die etwa 7500 Lilienfans, die am Sonntag die Reise ins Ruhrgebiet antreten werden, stellen zumindest in der jüngeren Vereinsgeschichte eine Rekordkulisse im Gästeblock dar.
Die Partie gegen den FC Bayern am vergangenen Wochenende, in der man sich nicht abschlachten ließ sondern eine couragierte Leistung ablieferte und der verdiente Sieg gegen Werder Bremen am Dienstagabend nähren die Hoffnung, dass man in Dortmund nicht zwangsläufig als Kanonenfutter der Herren Aubameyang, Reus oder Mkhitaryan enden muss. Die Borussen gelangten während der Englischen Woche ihrerseits zu der Erkenntnis, dass sie auch unter Neutrainer Thomas Tuchel nicht jedes Spiel gewinnen können. Bei der TSG aus Hoffenheim, gegen die sich die Dortmunder in der Vergangenheit schon des Öfteren die Zähne ausgebissen hatten, kam man nicht über ein 1:1 Unentschieden hinaus. Wiederholt geriet der BVB in dieser Spielzeit national wie international in Rückstand, vermochte es jedoch diesmal nicht, jenen Rückstand noch in einen Sieg umzuwandeln.
Das bekannte Leid des BVB ist die mangelnde Chancenverwertung. Auch in Sinsheim wurden beste Gelegenheiten liegen gelassen. Dementsprechend angefressen waren die Profis nach dem Abpfiff. Es bleibt für die Lilien zu Hoffen, dass die Schwarz-Gelben am Sonntag diesem Frust durch ihren Vollgas-Fußball nicht ein Ventil verschaffen können. Denn wenn diese Maschinerie einmal ins Rollen kommt und zudem von mehr als 25.000 Borussen auf der Südtribüne frenetisch angeheizt wird, vermag man dieser Mannschaft nur schwerlich etwas entgegen zu setzen.
Aber warum soll man sich in Darmstadt kleiner machen, als man ist. Mit 9 Punkten aus 6 Spielen liegt man mehr als im Soll, stet sensationell gut da! Diese Leistung hatten uns die Experten deutschlandweit (wieder einmal…) nicht zugetraut. Man sollte meinen, sie hätten aus den vergangenen zwei Spielzeiten gelernt, was mit einem akribisch arbeitenden Trainerteam, einer professionellen Berufsauffassung der Spieler sowie einem funktionierenden Kollektiv aller Beteiligten zu erreichen ist. Der schnöde Spruch, nach dem Mentalität Qualität schlagen kann, trifft nun einmal in gewissen Fällen zu. Am Böllenfalltor bewahrheitet sich dies bereits im dritten Jahr in Folge. Mittelfeldmotor Peter Niemeyer brachte diese Tatsache nach dem Sieg über Werder auf den Punkt, indem er Bremen zwar mehr fußballerische Qualität, den Darmstädtern aber mehr Herz attestierte.
Gespannt darf man indes sein, ob Sandro Wagner an seine bärenstarke Leistung aus dem Bremen-Spiel anknüpfen kann. Gegen den BVB wird sein Job natürlich ungleich schwerer, aber auch Dortmunds Defensive um Nationalverteidiger Mats Hummels ist immer wieder mal für einen Bock gut. In diesem Sinne auf nach Dortmund, die Atmosphäre genießen und, wer weiß es schon, vielleicht etwas Zählbares mitbringen!