Ein Schock. Was nun?
Positionspapier der Fan- und Förderabteilung des SV Darmstadt 1898 e.V.
Schock
Die Nachrichten vom 7. Juli 2016 sind für alle, denen der SV 98 etwas bedeutet, ein Schock. Präsident Fritsch spricht von einem „traurigen Tag“. Auch für uns von der Fan- und Förderabteilung des SV 98 ist das eine Katastrophe. Über viele Jahre haben sich zahlreiche Menschen mit schier endlosem Kraft- und Zeiteinsatz darum bemüht, den Traditions-Standort am Böllenfalltor auch auf lange Sicht zu erhalten – ob wir von der FuFa, die Aktiven des Fanbündnis‘, die Zuständigen des Vereins oder der Stadt Darmstadt. Die Maßnahmen, die nun ergriffen werden sollen, um das Stadion zu „ertüchtigen“ (OB Partsch), kosten Geld. Damit soll zwar immerhin zumindest der Super-GAU abgewendet werden, dass der Verein schon in Kürze den Anforderungen der DFL nicht mehr entsprechen kann und die Lizenz verliert, doch es ist erschütternd, dass es dazu kommen musste – und wie es dazu gekommen ist.
Zwischenlösung
Die von der Stadt Darmstadt geplanten Maßnahmen werden das Gesicht des Böllenfalltors deutlich verändern und Auswirkungen haben. Es ist klar, dass bei den bevorstehenden Verschärfungen der Auflagen Nachbesserungen am Stadion unausweichlich sind. Dazu gehören sicherlich die Überdachung weiterer Stadionbereiche und die Schaffung einer größeren Zahl von Sitzplätzen. Letzteres übernimmt der Verein in Eigenregie. Schon der Umgang mit diesen Veränderungen wird nicht einfach für die Fankultur am Böllenfalltor werden. Andere Maßnahmen – etwa den Bau eines Logen-Gebäudes, die „Neustrukturierung“ des Stadionvorplatzes oder die wie auch immer geartete „Modernisierung“ der Haupttribüne – halten wir für sehr fragwürdig. Wir haben den Eindruck, das schrottreife Auto bekommt ein Jahr vor Ablauf des TÜVs nochmal eine neue Klimaanlage… Die jetzt investierten Gelder werden als Sockelbetrag bei der Schaffung einer neuen Perspektive fehlen. Mit den jetzt vorgestellten Plänen, über deren Realisierungsmöglichkeiten noch nichts bekannt ist, hofft man, die DFL überzeugen zu können, dass bis zur Fertigstellung eines Neubaus weiter Bundesliga-Fußball gespielt werden kann (und wir nicht schon zuvor etwa nach Frankfurt ausweichen müssen), aber es ist und bleibt eine provisorische Lösung. Nur der Neubau ermöglicht die Gestaltung eines vereins- und fangerechten Stadions.
Was nun?
In den sozialen Netzwerken wird natürlich die Schuldfrage diskutiert. All die Emotionen müssen raus. Doch bei aller Wut und Trauer, es muss weiter gehen und Selbstzerfleischung ist Wasser auf die Mühlen derer, die dem Verein schaden wollen. Auch sollten wir nicht die Schuld bei denjenigen suchen, die lediglich ihre Rechte in Anspruch nehmen. Das Problem waren nicht die geltend gemachten Einsprüche von Privatpersonen oder Institutionen, sondern die Gegebenheiten vor Ort und geltendes Recht.
Die befürchtete Situation ist nun also eingetreten. Entscheidend waren die rechtlichen Bedenken bezüglich Lärmschutz und der Schaffung von Parkplätzen. Außerdem fielen neben den Bedingungen der DFL auch die Sicherheitsbedenken von Polizei, Feuerwehr oder dem Roten Kreuz ins Gewicht und erhöhen den Zeitdruck, dass JETZT – trotz des nun auf Eis gelegten Umbaus – etwas am Stadion geschehen muss. Bevor das Umbauvorhaben durch einen Rechtsspruch in einem völligen Fiasko geendet wäre, sollten wir uns alle gemeinsam überlegen, wie wir mit der neuen Situation umgehen und neue Wege diskutieren – ohne Denkverbote. Die vorgestern präsentierte Lösung ist ja schon in vielen Kommentaren lediglich als Zwischenlösung bezeichnet worden.
Auch wenn sich das heute elend anfühlt, vielleicht kann daraus eine neue Perspektive erwachsen.
Perspektivwandel
Die Diskussion in den letzten Jahren war unwürdig und es sind sicherlich von vielen Seiten Fehler gemacht worden. Doch im Lichte der neuen Situation gibt es überlegenswerte Perspektiven:
– Ein immer wieder gehörter Vorwurf: Die öffentliche Hand darf den Profifußball nicht mehr so stark subventionieren. Der Verein war bisher als langjähriger Dritt- bzw. Viertligist in der Situation, nur als Bittsteller auftreten zu können. Doch trotz der jüngsten Aufstiege wird der SV 98 auch bei künftigen Planungen starke öffentliche und private Partner brauchen, da die weitere sportliche Entwicklung nicht vorhersehbar ist. Nicht vergessen werden darf auch, dass quasi kein Stadionumbau in Deutschland in den letzten Jahren ohne direkte oder indirekte öffentliche Förderung umgesetzt worden ist.
– Einen Umbau für ca. 40 Mio € trotz vieler Probleme am aktuellen Standort „durchzudrücken“, ist wirtschaftlich kaum darstellbar.
– In den bisherigen Plänen konnten zahlreiche sinnvolle (keine überzogenen) Forderungen und Ideen von Fans und Verein aus vielerlei Gründen (Platz, Finanzierung) nicht berücksichtigt werden. Diese wären an einem denkbaren alternativen Standort durchaus realisierbar und damit das Engagement etwa des Fanbündnis‘ nicht vollends vergeblich gewesen.
– Die Kapazitätsbegrenzung auf maximal 19.350 Plätze könnte wegfallen zugunsten einer adäquateren Zahl (inklusive Erweiterungsoption – etwa die in der FuFa-Umfrage von letztem Jahr von den meisten Mitgliedern genannte Zahl von ca. 25.000), die auch Nicht-Dauerkarteninhabern oder jüngeren Fans einen regelmäßigen Stadionbesuch möglich macht.
– Die Festlegung auf den alten Standort hätte den dann aktuellen Status für Jahrzehnte zementiert und dem Verein jede weitere Entwicklungsmöglichkeit genommen. Die jetzt getroffenen oder zu treffenden Entscheidungen haben Einfluss auf Generationen von Fans.
– Wir wissen, dass andere Vereine und deren Fanszenen schmerzliche Erfahrungen beim Abschied von ihrem Traditions-Standort machen mussten (z.B. in Mönchengladbach) und müssen aus den dort gemachten Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen. Zwar gibt es dort die Vereine und Fanszenen weiterhin, sie haben sich aber gewandelt. Wenn wir uns bewusst machen, wie wir uns treu bleiben und wo Gefahren liegen, können wir diesen Wandel abmildern oder zumindest positiv beeinflussen.
– Die Verbundenheit zu einem Ort und seine Stimmung hängen von den Menschen ab, die dort hingehen – und von den baulichen Gegebenheiten. Beides können – und sollten! – wir gemeinsam gestalten. Dass das geht, haben die Erfolge des Fanbündnis‘ in den Gesprächen mit Verein und Stadt gezeigt.
– Die Beibehaltung von Funktionsgebäude und Trainingsgelände am „Sportpark Böllenfalltor“ hätte nicht das Ende des „Bölle“ zur Folge, etwa die U19 könnte dort weiter spielen.
– Entscheidend ist natürlich die Frage nach dem „Wo“ für den neuen Standort. Ein neuer Standort wäre gleichbedeutend mit dem Ende vieler liebgewonnener Abläufe rund um den Spieltag. Doch mit dem heutigen Tag ist klar, dass beides nicht gehen wird – alter Standort UND langfristige Perspektive im Profifußball. Es wäre sehr wünschenswert, dann wenigstens einen Ort im Darmstädter Stadtgebiet zu finden.
Das Wesen des „Heiners“
Der „Heiner“ ist ein Mensch mit Herzblut und Hingabe. Er würde sein letztes Hemd für den Verein geben, hat aber feine Antennen dafür, wann er über den Tisch gezogen wird und ist grundsätzlich auch misstrauisch, weil er schon einiges erlebt hat. Gerade am Donnerstag haben sich viele Befürchtungen bestätigt.
Es gab eine Phase in den letzten Jahren, als aus solch einer Stimmung eine Situation entstanden ist, die dem Verein das Überleben gerettet hat: Die Insolvenzzeit. Es war eine Zeit der Transparenz und Offenheit. Diese Stimmung brauchen wir wieder – und keine Wagenburgen mehr! Darmstadt wird nur voran kommen und diese Identitäts-Krise meistern, wenn alle, wirklich alle mitmachen. Das war damals so – und wird auch heute so sein.
Was zählt, ist der Verein: Unsere Lilien!
Vor dem Verein und vor seinen Mitgliedern steht wieder ein langwieriger Prozess. Der Verein wird gut beraten sein, ähnlich wie bei den Gesprächen um eine mögliche Ausgliederung, ein Forum zu schaffen, in dem seine Mitglieder frühzeitig und transparent in die Planungen einbezogen werden. Geschieht das, kann ein wunderbares Projekt gemeinschaftlich aus der im besten Sinne verstandenen Vereinsidee entstehen. Die Abteilungen, der Verwaltungsrat und der Ältestenrat haben sich bereits für eine Mitglieder-Initiative zur Stadionplanung ausgesprochen. Die Idee: Der SV Darmstadt 98 baut mit all seinen Unterstützern – also quasi der ganzen Stadt – zusammen ein Stadion, das dem Verein und der Stadt würdig ist. Eines von allen für alle. Egal, ob man seit Jahrzehnten eine Dauerkarte hat, der aktiven Fanszene angehört, die 98er auf Auswärtsspiele begleitet, regelmäßig im Stadion ist oder versucht, sich eine der begehrten Karten zu ergattern – auch diejenigen, deren Sympathien zum SV 98 erst in den letzten Jahren gewachsen sind und jene, die sich einfach darüber freuen, dass die Lilien wieder DA sind – all Ihr Heiner, Zugereisten oder im Exil Lebenden: Lasst uns diesmal zügig selbst aktiv werden und es besser machen! Nutzen wir diese Chance!
Die Abteilungsleitung der Fan- und Förderabteilung des SV Darmstadt 1898 e.V.
Eine gute und sinnvolle Stellungnahme! Gemeinsam und vielleicht mit ein paar Sponsoren können wir das hoffentlich schaffen. Gegensatz für die Lilien!
Persönlich finde ich den Standort Arheilgen West interessant (kein Wohngebiet als Anlieger, S-Bahnhof nahe bei, ebenso Abfahrt A5). Auch wenn meine eigene Anfahrt dann wesentlich länger wäre…
Ich persönlich könnte mir ein neues Stadion am Darmstädter Kreuz vorstellen.
Entweder Griesheim ehemaliger Flugplatz oder gegenüber das alte Übungsgelände von den Amys im Südost eck vom Kreuz . Vorteil direkter Anschluss an zwei Autobahnen A67, A5 und gleise sollen dahinten ja auch noch kommen wegen der geplanten ICE Trasse Frankfurt – Mannheim.