Ich muss gestehen, das Volksparkstadion ist mir nicht neu. Das hat damit zu tun, das mein Vater in Hamburg wohnt. Und folgerichtig bin ich schon fast so etwas wie ein „Stammgast“ im Stadion der Rothosen.
Mein erstes Match sah ich vor rund 30 Jahren im Volkspark. Damals war es noch das „alte“ Stadion, windig und zugig. Wir saßen auf den Holzbänken der Gegentribüne. Hamburg siegte mit 2:0 gegen Stuttgart.
Immer wieder, wenn ich meinen Vater besuche, zieht es uns ins Volksparkstadion. Über all die Jahre ein liebgewonnenes Vater-Sohn-Ritual.
Mönchengladbach, Köln, Waldhof Mannheim, Eintracht Frankfurt, St. Pauli, 1860 München, Ulm… all diese Gegner der Rothosen schauten wir uns über die Jahrzehnte an. Von nahezu jedem Platz. Sei es auf der Hintertor-, sei es von der Gegen- oder der Haupttribüne gewesen, ja ein paar mal sogar von den Business-Seats, überall saßen wir schon.
Nur ein Platz fehlte in meiner Sammlung noch – der Gästeblock!
Und nun endlich, nach nahezu drei Dekaden fußballinteressierten Lebens war der Tag gekommen. Ich konnte den Gästeblock im Hamburger Volkspark reinen Gewissens betreten, denn meine 98er kämpften dort um Bundesligapunkte!
Papa begleitete mich in den Gästeblock. Auch für ihn eine Premiere.
Papa bekam ein typisches Spiel der Lilien geboten. Diszipliniert, Kompakt und vorne auf die entscheidenden Bälle lauernd.
Ebenso typisch dann der Führungstreffer der im Chelsea-Look auflaufenden Lilien (blaue Jerseys, blaue Shorts, weiße Stutzen): Freistoß aus dem Halbfeld, Kopfball Sulu, 1:0! Jubel im Gästeblock und auch ich freute mich – auf der Toilette! Wie so oft verpasste ich einen Treffer der Lilien aufgrund (m)einer Blasenschwäche. Bei meiner Rückkehr in den Block und beim Passieren zu meinem Platz frotzelten die mich vorbeilassenden Anhänger der Heiner, dass ich „Tore pinkeln könnte“. Wenn es denn der Sache dient… Läuft, im doppelten Sinne.
Und es kam noch besser: Wagner spielt den Ball flach und scharf von der rechten Seite vor das Tor Adlers, der allerdings gegen den heranrauschenden Gondorf chancenlos ist. 2:0! ZWEI ZU NULL!
Okay, zum Schluss wurde es dann „dank“ Holtby doch noch einmal spannend. Das fast schon obligatorische Gegentor in der Schlussphase schockte und brach die Lilien diesmal aber nicht. Der verdiente 2:1-Auswärtssieg im Norden war perfekt!
Eigentlich musste es mit dem Auswärtssieg so kommen, betrachte man sich den „Hasipfau“ auf dem Spielfeld genauer. Alles andere als ein Dreier hätte mich fast schon enttäuscht. Das hatte damit zu tun, dass der HSV wirklich unterirdisch spielte. Eine Fehlpassorgie vom Feinsten wurde den stöhnenden HSV-Anhängern geboten. Und auch Nicolai Müller und Michael Gregoritsch gifteten sich bereits Mitte des ersten Durchgangs dermaßen an, dass man schon ahnen konnte, die Rothosen würden heute nichts reißen. Zum Glück kam es dann auch so.
Papa darf in der nächsten Saison gerne wieder mit mir in den Gästeblock in „seinem“ Stadion gehen. Zugegeben: Immer wenn er in Darmstadt bei Spielen der Lilien war, gewannen sie diese (bis auf eine Ausnahme) auch. Ein Glücksbringer für den SV Darmstadt 98.
Und da ich bald schon wieder nach Hause fahre, werde ich jetzt noch ein bisschen auf der Couch mit Papa reden. Über Gott und die Welt, über den HSV und natürlich über die Lilien. Denn wie es scheint, war dies ein wichtiger Schritt für die 98er zum Klassenerhalt. Und wenn dieser gelingt, dann können Papa und ich jetzt schon über meinen nächsten Besuch an der Elbe diskutieren.