Spielbericht Bayern München – Lilien: Streitbare Lilien?

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Was schreibt man zu einem Spiel, dass einem Darmstädter – trotz einer Niederlage – den puren Stolz ins Gesicht zaubert?

Ich denke, dass jeder der das Spiel zwischen David gegen Goliath am TV oder in der Arena gesehen hat unbestritten zugeben muss, dass die großen Bayern letztendlich verdient den Platz als Sieger verlassen haben. Alleine das Zahlenwerk spricht dafür: 36:6 Torschüsse, 18:0 Ecken,… Ich erspare mir weitere Details, die auf die Bayern-Dominanz hinweisen.

Und doch schnupperte der SV 98 trotz der Zahlenwerte an einer riesengroßen Überraschung. Schusters Taktik ging vollends auf. Eine Sechserabwehrkette erschwerte den teils ideenlos wirkenden Bayern Chancen zu kreieren. Da hat sich Dirk Schuster scheinbar einiges bei der Handball-EM abgeschaut, denn vieles erinnerte an den Verteidigungsaufbau um den Kreis herum wie beim Handball.

Erst als es schnell ging, bekamen die Münchner ihre Gelegenheiten. Doch selbst diese münzte der Rekordmeister zunächst nicht in Zählbares um, denn Lilien-Keeper Christian Mathenia erwischte einen Schokoladentag, entnervte die Angreifer in den roten Trikots. Allen voran der Niederländer Arjen Robben war nervlich angeschlagen aufgrund der liegen gelassenen Chancen. Das gipfelte u.a. darin, als er provokant mit den Fingern die Sekunden zählte, die Mathenia den Ball in seinen Händen bei einem Abschlag hielt und so ein vermeintliches Zeitspiel monierte.

Cleverness, starke Paraden und eine Bärenruhe zeichnete Darmstadts Schlussmann an diesem regnerischen Nachmittag aus. Vielleicht war es ja gar nicht Manuel Neuer sondern Christian Mathenia, der das Torhüterspiel an jenem Nachmittag neu definierte…?

Die 98er setzten Nadelstiche, konterten bei sich ihnen bietenden Gelegenheiten und erzielten so die nie für möglich gehaltene 1:0-Führung durch Sandro Wagner (26.), nach einer mustergültigen Flanke des Bundesligadebütanten Sandro Sirigu. Sirigu, ausgerechnet einer von denen, die für das gelbgesperrte Quintett seine Chance erhielt!

Was war das für ein Palaver in der vergangenen Woche, als man dem SV 98 unterstellte, das Spiel in München aufgrund der Gelbflut abschenken zu wollen und sich auf Bremen zu konzentrieren. Clever oder unfair, die Frage entfachte ein mediales Gewitter. Und nun das! 1:0! Eins zu null! Alle Dämme unter den mitgereisten Lilienfans brachen vor Freude und Stolz!

Rekordmeisterhalbzeitführender!

Halbzeitführung, Halbzeitführung – hey, hey!

Ja, tatsächlich, wir nahmen den knappsten aller Vorsprünge mit in die Pause und drehten den „Großkupferten“ somit eine lange Nase.

Und, so der Blick in den Fernseher einer Loge hinter mir in der Halbzeitpause, hätten die Münchner gar Rafinha vom Platz gestellt bekommen müssen, nachdem dieser zweimal mit dem Ellenbogen gegen Sandro Wagner austeilte. Es ist ein Indiz für Münchner Dünnhäutigkeit gewesen.

Im zweiten Durchgang passierte dann leider das, was man gehofft hatte zu vermeiden – der schnelle Ausgleich von Thomas Müller kurz nach Wiederanpfiff (48.).

Mist! Vielleicht reicht es ja dann wenigstens zu einem Punkt…

Nein, auch das sollte den taper und aufopferungskämpfenden Lilien nicht gelingen, denn nur durch ein Traumtor gelang dem FC Bayern der Führungstreffer zum 2:1 (71.). Wiederum war es Bayerns Nationalspieler Thomas Müller, der mit einem artistischen Fallrückzieher den überragenden Mathenia zum zweiten Mal überwinden konnte.

Die Kräfte der „Boys in Blue“ schwanden fortan und dennoch blieb das Pflänzchen der Hoffnung auf einen möglichen Ausgleich am Leben. So bspw. als Tobias Kempe aus spitzen Winkel den Abschluss suchte, aber Manuel Neuer nicht vor eine unlösbare Aufgabe stellte.

Mit dem 3:1 durch Robert Lewandowski fünf Minuten vor dem Abpfiff war die Messe dann gelesen.

Sei es drum, wir ärgerten die Bayern mächtig und ich behaupte, mit dieser Einstellung gegen Juventus Turin in der kommenden Woche, werden es die Münchner schwer haben. Vielleicht haben sich Turins Verantwortliche ja einiges von Dirk Schuster und seiner Taktik abgeschaut.

Bemerkenswertes am Rande für mich war, dass sich Schuster und Sebastian Rode nahezu freundschaftlich während des Spiels die Hände reichten. Der designierte Einwechselspieler Rode, der sich nach seinen Aufwärmübungen zurück zur Ersatzbank machte, klatschte den Lilien-Coach im Gegensatz zu den anderen Bayern-Ersatzspielern freundschaftlich ab. Gibt diese Szene Anlass zu Spekulationen? Okay, Sebastian Rode hat als ehemaliger Jugendspieler des SVD sicherlich Verbindungen zu den Lilien, aber steckt hinter dem Händedruck möglicherweise mehr? Eine Neuverpflichtung oder ein Leihgeschäft in der kommenden Saison? Es möge sich jeder seinen eigenen Reim darauf machen…

Dass die Bayern Darmstadt scheinbar nur mit Traumtoren besiegen könnte, blieb auch Schuster nicht verborgen, der dies auch unverblümt in der Pressekonferenz von sich gab. Und auch Florian Jungwirth haute noch einen Spruch raus: „Ich weiß nicht, ob die Bayern damit klar kommen, mein Trikot im Schrank zu haben!“ Er tauschte sein verschwitztes Jersey nämlich nicht mit einem Spieler des FC Bayern.

Tags darauf im Doppelpass bei Sport 1 wurde in der Talkrunde unter der Leitung von Thomas Helmer dann die Behauptung aufgestellt, Darmstadt würde nur mit hohen und weiten Bällen operieren, um mit diesen (legalen!) Mitteln Zeit zu schinden. Zudem würden sie oft und lange am Boden liegen bleiben, Bälle ins Aus schlagen und somit den Spielfluss unterbinden. Einem Darmstadt-Fan im Publikum platzte daraufhin der Kragen und er schrie in schönster „dammstädderischer Mundart“ in die Runde, dass das schon lange nicht mehr stimmen würde, dass das nur die probaten Mittel zu Saisonbeginn gewesen sein. Helmer und Co waren sichtlich verblüfft, aber der Lilienfan hat recht. Unter Dirk Schuster gab es sehr wohl taktische Fortschritte, auch im Spiel nach vorne!

Und auch ansonsten wurde immer wieder das Beispiel „Darmstadt 98“ in dem Fußballfrühshoppen thematisiert. Meine Freundin Gina schenkte mir (wie bereits im Vorbericht erwähnt) Karten für die TV-Sendung. Neben uns gesellten sich drei weitere 98er-Fans, die den Moderator Thomas Helmer beim Warm-up zur Sendung zu der Äußerung hinriss, dass das wohl die fünf gesperrten Darmstädter seien.

Streitbare Darmstädter allenthalben, wie man sieht.

So auch im Stadionmagazin des großen FCB, der auf der Seite über den SV Darmstadt 98 kurzerhand unter das Vereinslogo peinlicherweise „TSG 1899 Hoffenheim“ druckte.

Oder die paar Bayernfans, mit denen ich mich vor dem Spiel unterhielt, die urplötzlich „Zweite Liga – Darmstadt ist dabei“ und „Absteiger!“ sangen. Die für mich daraus gezogene Lehre kann nur lauten, dass „Der Stern des Südens“ scheinbar nicht der am hellsten leuchtende am Fußballfirmament ist…

Streitbare Darmstädter… Unbestritten ist jedoch die großartige Leistung des SV 98! Kampf, Herz, Leidenschaft. Chapeau!

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