Rückblick Podiumsdiskussion „Firma oder Verein?“

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Das Thema der Ausgliederung der Profiabteilung deutscher Fußballvereine in den ersten vier Ligen zählt vermutlich zu den meist diskutierten Entwicklungen, die gerne unter dem Thema „Moderner Fußball“ zusammengefasst werden. Während sich andere Streitpunkte meist um konkrete Maßnahmen drehen, geht es dabei um den Prozess, wie innerhalb des Vereins – beziehungsweise der Kapitalgesellschaft – verantwortlich für den Profisport Entscheidungen gefällt, Diskussionen und Meinungsdifferenzen organisiert werden und Beteiligung ermöglicht wird. Um dieses Thema genauer zu beleuchten und mehr Tiefe in die teilweise hitzige bis überhitzte Diskussion zu bringen, veranstaltete die Fan- und Förderabteilung am 15.04.15 eine prominent besetzte Diskussionsrunde, die das Für und Wider sowie die verschiedenen Ausgestaltungsformen einer Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft aufzeigen sollte. Generell handelt es sich bei der Ausgliederung der Profiabteilung um eine Gründung einer Gesellschaft, die die Leitung der Fußballabteilung übernimmt und an der man (sowohl Privatpersonen, als auch Wirtschaftsunternehmen) Anteile erwerben kann. Dies ist die neueste Form der Fremdfinanzierung für Sportvereine, neben dem klassischen Sponsoring und dem Kredit. Im Gegensatz zum letzten muss der Verein also das erworbene Kapital nicht zurück zahlen, sondern garantiert dem Geldgeber einen prozentualen Anteil der Stimmrechte.

Zu Beginn des Abends hielt Dr. Marc Strauß, seines Zeichens Vorstandsmitglied der SV 07 Elversberg und Berater mehrerer Ausgliederungen, einen eröffnenden Vortrag über die juristische Sicht auf das Thema. Dabei wurden die verschiedenen Organisationsformen möglicher Kapitalgesellschaften vorgestellt und gegeneinander abgewogen. Generell wurde, bestätigt durch die anderen Gäste, verdeutlicht, dass die Unterschiede zwischen den jeweiligen Rechtsformen nach der Ausgliederung wesentlich geringer sind als die zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem eingetragenen Verein (e.V.). Die meistgenannten Gründe für eine Ausgliederung lauteten: Erstens die juristische Grauzone in der sich die Vereine aktuell befinden, da sie gleichzeitig als gemeinnützig gelten, jedoch gleichzeitig teilweise hohe Gewinne, oder zumindest Umsätze generieren. Zweitens die bessere Sicherung des e.V. bzw. der anderen Abteilungen im Falle einer Insolvenz, und drittens vor allem aber die erhöhte Wirtschaftlichkeit durch Verkauf der Anteile. Als Nachteile wurden die Gefahr der (teilweisen) Fremdbestimmung, der damit einhergehende Verlust an Mitspracherechten für die Mitglieder, sowie die Kosten einer Ausgliederung genannt.

Bei den Rechtsformen, die die ausgegliederten Gesellschaften annehmen können, handelt es sich um die Aktiengesellschaft (AG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die GmbH & Co. KGaA – eine Sonderform, die nur im Profisport anzufinden ist. Die Hauptunterschiede sind, dass bei der AG zwar die Sicherung der Gemeinnützigkeit des e.V. am besten gewährleistet, dafür aber der Einfluss des e.V. auf die Kapitalgesellschaft am geringsten ist. Demgegenüber verhält es sich, laut Dr. Strauß, bei der GmbH & Co. KGaA genau umgekehrt und darüber hinaus hat diese Rechtsform die Besonderheit, dass für sie die 50+1 Regel (unten mehr dazu) nicht gilt.

Soviel sei kurz, vor allem für diejenigen, die nicht anwesend sein konnten oder sich tiefer mit dem Thema auseinandersetzen wollen, zu den juristischen Feinheiten gesagt, die im Eingangsvortrag von Dr. Strauß aufgezeigt wurden und im Anschluss für eine sachliche Diskussion zu dem kontroversen Thema sorgten.

Das erste und auch eins der spannendsten Themen in der Diskussion, die von Jonas Schulte (FFH) geleitet wurde, war die Befürchtung vieler Mitglieder und Fans, dass eine Kapitalgesellschaft es ermöglicht, dass die Profiabteilungen früher oder später von Einzelpersonen abhängig oder sogar allein bestimmt werden, da diese nicht nur durch ihr Kapital, sondern auch direkt über Stimmrechte Einfluss üben. Immer wieder wurde von Daniela Wurbs – als Geschäftsführerin von Football Supporters Europe sowie aktives Mitglied des FC St.Pauli gemeinsam mit Martin Oetjens vom HSV-Supporters Club die Vertreterin der Fans und ihrer Interessen auf dem Podium – der Blick auf andere Länder gefordert, durch den erhebliche Probleme der Vereine besonders in England und Spanien sichtbar würden, die genau von diesem personenbezogenen Einfluss herrührten. Besonders angesprochen bei dieser Thematik wurde der Präsident von Hannover 96, Martin Kind, der jüngst erreichte, dass die 50+1-Regel des DFB weiter aufgeweicht wurde. Dabei handelt es sich um eine Regel, die sicherstellen soll, dass der jeweilige e.V. weiterhin 50% der Stimmen plus eine weitere, also die Mehrheit der Stimmen behält. Sowohl Kind als auch Wolfgang Holzhäuser, der als Geschäftsführer von Bayer Leverkusen die erste Ausnahme von der 50+1-Regel mit Verweis auf die gemeinsame Geschichte seines Vereins und des Bayer-Konzerns erwirkte, betonten mehrfach, dass die 50+1-Regel weiterhin Bestand haben solle, jedoch für Einzelfälle unpassend sei. Die Ausnahmen seien dadurch gerechtfertigt, dass jeweils lokale Bürger (Hannover, Hoffenheim), oder Unternehmen (Leverkusen, Wolfsburg) sich für den Verein engagierten und daher eine besondere Verbindung zum Verein hätten, welche einen Missbrauch der Stimmenmehrheit verhindern würde. So sei es auch zu erklären, dass bisher keine Investoren aus dem Ausland Anteile im deutschen Fußball halten würden, mit Ausnahme von 1860 München. Auf den Einwand, dass sich dies in Zukunft jedoch verändern wird, da durch die Einzelfälle das Fundament der 50+1-Regel untergraben würde und sich andere Investoren auf diese Präzedenzfälle berufen können, wurde leider nicht weiter eingegangen. Letztlich betonten auch hier alle Vereinsfunktionäre, dass mit der Ausgliederung der Verlust aller Mitspracherechte nicht einher gehen muss, sondern jeder Verein immer einen individuellen Gesellschaftsvertrag hat, den der Verein so gestalten kann, dass die Mitglieder weiterhin Einfluss ausüben können. Wie viel Einfluss die Mitglieder verlieren, hängt also vom Einzelfall ab; dass sie tendenziell Einfluss verlieren, so die Fanvertreter auf der Bühne, sei allerdings nicht zu verhindern.

Besonders interessant in der Diskussion war die Rolle von Peter Peters, Vorstand des FC Schalke 04, welcher den „letzten erfolgreichen e.V.“ (Peters) repräsentiere. Erfreulich selbstkritisch präsentierte er die Lage, in der sich Schalke 04 aktuell befinde, dass man als e.V. sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene (noch) erfolgreich sein kann. Man registriere aber auch, dass sich die Rahmenbedingungen stetig verändern und neue Anforderungen an die Vereine aufkommen, die es schwieriger machen, als e.V. wettbewerbsfähig zu bleiben. Für ihn gehe es in erster Linie um den sportlichen Erfolg und diesem Ziel müsse man die Mittel unterordnen. Aktuell – und dabei war er sich mit den Fanvertretern einig – sei die Organisation als e.V. Teil der Identifikation der Fans und Mitglieder mit dem FC Schalke 04 und daher eine notwendige Stütze des nach Mitgliedern zweitgrößten Fußballvereins Deutschlands. Eine Ausgliederung käme für ihn daher höchstens in Frage, wenn man im Einverständnis mit den Mitgliedern, die in jedem Verein mit 3/4-Mehrheit einer Ausgliederung zustimmen müssen, zu der Erkenntnis gelange, dass die sportlichen Zielsetzungen unter der Bedingung ein e.V. zu sein, langfristig nicht zu erreichen sind.

Zu einer differenzierten Betrachtung der Thematik trug auch bei, dass alle Gäste Wert darauf legten, die Ausgliederung der Profiabteilung von anderen Themen zu trennen. So sei der Einstieg überdurchschnittlich stark investierender Geldgeber nicht von der Rechtsform abhängig, sondern wäre auch in einem e.V. (Bsp. RB Leipzig) möglich. An diesem Punkt waren sich alle einig, dass stärkere Regulierungen der Kapitalgeber und -menge, wie beispielsweise durch das Financial Fairplay der UEFA, durch die Verbände durchgesetzt werden müssen, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Darüber hinaus wurde auch betont, dass sowohl sportlicher (Miss-)Erfolg, als auch verantwortliches Management von der Rechtsform unabhängig sind, und jeder Verein die eigene Geschichte, Tradition, den eigenen Anspruch und das individuelle Umfeld berücksichtigen muss, um für sich die geeignete Organisationsstruktur zu finden – ein Patentrezept gibt es nicht. So wurden die immer wieder genannten Negativbeispiele mit individuellem Missmanagement und spezifischen Fehlern begründet, welche von der Rechtsform unabhängig seien.

Alles in allem muss man also sagen, dass die Veranstaltung ihren Zweck, dieses schwierige Thema nüchtern zu analysieren und einer meist oberflächlichen, teils durch individuelle Interessen geleitete Diskussion die nötige Tiefe zu verleihen, im großen Ganzen nachgekommen ist. Interessant wäre es allerdings gewesen, einen Vertreter des SV 98 auf der Bühne zu haben, der über den aktuellen Stand und die konkreten Pläne des Vereins aufklären könnte, oder zumindest die Auswirkungen und Veränderungen für die alltägliche Arbeit der Mitglieder und Abteilungen zu beleuchten. Die Gäste haben dazu beigetragen, die Probleme und Verfahren, die unter dem Schlagwort „Ausgliederung“ gemeint werden, zu differenzieren und betont, dass die Ausgliederung bzw. die Rechtsform weder ein Allheilmittel noch Untergang jeder Tradition ist, sondern dass entscheidend ist, sich gemeinschaftlich unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Umfelds und vor allem der Mitglieder und Fans auf einen angemessen Weg hin zu einem gemeinsamen Ziel zu einigen.

(Fotos: Zooom-Box)