Mit Gloria Gaynor, James Bond und Brian in Augsburg

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Um es gleich vorweg zu nehmen: Mir geht es gut. Ich habe den „ungewollten“ Besuch im Augsburger Heimblock ohne Blessuren  überstanden. Gefahrensituationen gab es nicht, höchstens auf dem Heimweg, aber dazu später mehr…
Die Zugfahrt mit Marcus und Thorsten in die Fuggerstadt verlief angenehm. Dabei hatte ich jedoch immer wieder den Ohrwurm von Gloria Gaynor (für die jüngeren Leser sei hier als Option die „Hermes House Band“ genannt) „I will survive“ im Sinn. Das einzige Ziel bestand also für mich darin im Augsburger Fanblock zu „überleben“ und nicht als Darmstädter aufzufliegen.
Daher musste ich mich so unauffällig wie möglich tarnen. Frei nach James Bond: Ralle – in tödlicher Mission. Eine unauffällige Jacke nebst einer grauen Strickmütze mit dem Logo des FC Chelsea schien mir als die geeignete Tarnung. Diese sollte mir jedoch auf dem Weg um Stadion fast zum Verhängnis werden, denn zwei ältere FCA-Fans sprachen mich urplötzlich und unverhofft an: „Na, Du kommst aber nicht aus Augsburg, hälst es wohl mit Darmstadt?!“
Oh mein Gott, sie schöpften Verdacht, wie konnte ich nur enttarnt werden? War es meine leichte hessische Mundart, die in den Gesprächen mit Marcus und Thorsten in den Gehörgang der FCA’ler drang? Oder hatten sie gar Argusaugen und erspähten meinen Siegelring mit der Lilie an meiner Hand? Ich fragte nach, wie die Rot-Grün-Weißen auf die Idee kämen, ich wäre kein Fuggerstädter.
Die Antwort verblüffte mich über alle Maßen: Es war meine Mütze mit dem Chelsea-Logo! „Das ist kein Augsburg-Wappen, sondern blau und daher bist Du Darmstädter!“
Ich war perplex und musste schmunzeln, ehe ich die beiden aufklärte. Mir taten die beiden Hobby-Heraldiker mit rudimentären Halbwissen leid, aber gut, bei internationalen Gästen in der Europa-Liga kann man schon einmal durcheinander kommen. Blues sind eben nicht immer Blues…
Thorstens Bruder nebst seiner Familie und Freunden entpuppten sich als nette Gastgeber, gleichwohl sie natürlich wussten, dass ich es mit den Lilien halte. Sie schleusten mich mit geborgten Karten auf die Hintertortribüne in unmittelbarer Nähe der Stehplätze, wo die treuesten Augsburger ihren Dauersupport während der 90 Minuten zum Besten geben sollten.
Eine Frage beschäftigte mich dann aber doch rund um den FCA: Sind die Fuggerstädter nunmehr „bayerische Schwaben“ oder „schwäbische Bayern“? Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich die Frage nicht zu hundert Prozent beantwortet bekommen habe, denn hier scheinen die Meinung auch bei den Einheimischen auseinanderzudriften. Letztendlich geht die Tendenz aber in Richtung „bayerische Schwaben“. Ich kam mir an jener Stelle unweigerlich vor, wie im Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“, als die Frage aufkam, ob es sich um die „Judäische Volksfront“  oder aber um die „Volksfront von Judäa“ handelt.
Das Spiel der Lilien in Augsburg entzückte mein Fußballherz, gleichwohl mein zweifacher Torjubel unterdrückt werden musste. Bei den beiden Torerfolgen meiner 98er explodiere ich zumeist vor Glück, diesmal jedoch implodierte ich. Meine stille Freude inmitten der Augsburger-Fans konnte nur mit Faustschlägen auf den Oberschenkel des neben mir stehenden Freundes Marcus entweichen. Sein rechter Oberschenkel, so sagte er mir heute früh, ist nunmehr mit blauen Flecken übersät. Es tut mir leid, werter Freund, aber wenigstens sind sie in den richtigen Vereinsfarben gehalten.
Nach dem Abpfiff folgte die übliche Fachsimpelei über das Spiel. Dabei entpuppten sich die Fuggerstädter als durchaus kompetente Analytiker – bis auf den einen FCA-Fan, der eine Stufe über mir stand und gelinde gesagt, nicht der hellste Stern am Firmament war. Er nervte mich des Spiels über schon die ganze Zeit mit seinen nicht hörenswerten und schräg vorgetragenen Anfeuerungsgesängen, so dass ich heilfroh bin, dass ich heute bislang noch nicht über Tinnitus-Beschwerden klagen muss. Ich rettete mich mit allgemeinen Floskeln über das ungewollte Gespräch hinweg, allerdings immer mit dem Wissen, dass ich das Spiel der 98er analysieren würde – ohne mich gegenüber als Lilien-Fan zu outen. So sagte ich, dass wir keinesfalls absteigen würden, was der FCA-Fan natürlich auf sein Team bezog. Über die Bewertung der einzelnen Spieler resümierte ich nur von den Rückennummern und vermied Namen, so dass beispielsweise die Bewertungen der Nummer 10 nicht unterschiedlicher hätte ausfallen können. So war Augsburgs Daniel Baier und dessen Bewertung nicht zwingend mit meinem Urteil über Jan Rosenthal zu vereinbaren. Letztendlich musste ich mir dann doch die Frage gefallen lassen, ob ich das gleiche Spiel gesehen hätte, wie mein Augsburger Gesprächspartner mit schiefer Tonlage beim Singen.
Nachdem Marcus, Thorsten und ich noch schnell etwas in der Innenstadt aßen („Weißer Hase“, moderate Preise, leckere Schweinshaxe), traten wir die Heimreise mit dem ICE an. Dass ausgerechnet neben uns zwei Mannheimer in Lederhosen saßen, machte die Situation zu einer neuen Herausforderung für mich. „Ei-jo-e, weschte, wir komme aus Monnem, wohne direkt uff em  Waldof!“ „Des isch brutal!“, so meine nüchterne Antwort in feinstem mannheimerischen Dialekt. Da zahlt sich das Erlernen von „Fremdsprachen“ doch wieder aus, denn über Fußball wollte ich mit den „Barcklern“ nicht unbedingt reden. Ich vermied es auch erfolgreich.
Nicht minder groß dann die sich neu stellende Herausforderung, als wir in Frankfurt in den Zug nach Darmstadt umsteigen mussten. Eine Horde desillusionierter Eintracht-Anhänger machte sich in dem selben Zug auf den Weg nach Hause. Das 1:5 ihrer SGE  gegen Borussia Mönchengladbach zeichnete Enttäuschung in die Gesichter meiner schwarz-roten Mitfahrer. Mit einem Ohr hörte ich deren leidvollen Erlebnisberichte des Abends über den Ärger, dass die „sch*** Darmstädter“ der Eintracht nunmehr in der Tabelle davonziehen. Ich grinste still und voller Genugtuung in mich hinein.
Dass dann nach Verlassen des Darmstädter-Hauptbahnhofes noch ein großes Polizeiaufgebot die Ankömmlinge des Fußballspiels abfing, störte mich an jenem Abend nicht mehr großartig. Meine Undercover-Mission als James Bond in geheimer Mission nach Augsburg glückte -und ich ging fröhlich „I will survive“ pfeifend durch die Vielzahl von Polizeiwagen hindurch in Richtung Straßenbahn nach Hause.

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