Späte Würdigung und ein Beitrag wider das Vergessen: Am Sonntag, 15. Januar, wurde der Platz vor dem Haupteingang des Jonathan-Heimes-Stadion nach Dr. Karl Heß benannt und offiziell eingeweiht.
Karl Heß wurde fast genau 117 Jahre zuvor, am 13. Januar 1900, in Darmstadt geboren und war schon mit 28 Jahren der Vereinsvorsitzende des SV Darmstadt 98. Er wurde als Deutscher jüdischen Glaubens 1933 im Zuge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten mit einem Berufsverbot belegt und musste auch als Vereinsvorsitzender zurücktreten. Der Rechtsanwalt floh nach Brasilien, kehrte 1963 mit seiner Frau nach Darmstadt zurück und arbeitete beim Rechtsamt der Stadt. Das Ehepaar ging 1973 nach Brasilien zurück, dort starb Karl Heß am 15. April 1975.
Das Engagement des Fördervereins Liberale Synagoge, einen Platz in Darmstadt nach Dr. Karl Heß zu benennen, begann bereits 2014. Nach drei Jahren war es nun soweit. Vor rund 100 Gästen sprachen Oberbürgermeister Jochen Partsch, der Präsident des SV 98, Rüdiger Fritsch, und der Vorsitzende des Fördervereins liberale Synagoge e.V., Martin Frenzel, jeweils ein Grußwort und enthüllten anschließend die Gedenktafel und das offizielle Straßenschild.
Partsch sagte in seiner Ansprache, dass Antisemitismus aus der gesellschaftlichen Mitte inzwischen wieder zum Thema geworden sei und es inzwischen „einen neuen Antisemitismus“ gebe, „der aus islamistischen und salafistischen Organisationen“ käme. Er würdigte aber auch die zahlreiche Anwesenheit von Fans und machte deutlich, dass sich die Darmstädter Gesellschaft aus Tradition gegen antisemitische Aussagen wehre.
Präsident Fritsch zitierte eine Würdigung von Karl Heß als Vorsitzendem aus dem April 1933 – nachdem dieser bereits gezwungen war, als Vorsitzender zurückzutreten. Dennoch nahm man seinerzeit auch in Darmstadt dessen Vertreibung aufgrund seines jüdischen Glaubens hin. Nun gelte es aber, Karl Heß und allen anderen Sportfunktionären zu gedenken, die dem Rassenwahn zum Opfer fielen.
Auch Frenzel bezog sich auf weitere Sportler und Sportfunktionäre jüdischen Glaubens, die sich zum Teil in Zwangsvereinen organisieren oder auswandern mussten. So nannte er etwa den Leichtathleten des SV98, Howard Adler, (geboren 1917 in Darmstadt als Hans Siegfried Adler), der schließlich in die USA auswanderte. Frenzel verlas ebenfalls ein Grußwort des Enkels von Karl Heß, Gustavo Heß, der so bald wie möglich die Heimat seines Großvaters besuchen möchte.
Als weitere Aktion der gemeinsamen Öffentlichkeitskampagne „Zukunft braucht Erinnerung“, die der Förderverein Liberale Synagoge Darmstadt e.V. und der SV Darmstadt 98 am 1. März 2016 vereinbart haben, wurde am Mittwoch, 18. Januar, in der Volksbank, Hügelstraße 20, die Ausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden – Deutsche jüdische Glaubens prägten den deutschen Fußball“ eröffnet und wird bis zum 24. März gezeigt.
Autorinnen: Jana Otto / Liz Schuster