Die Kontroverse: Neue Spielzeiten in der 1. und 2. Bundesliga

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Die Kontroverse: Neue Spielzeiten in der 1. und 2. Bundesliga

In dieser neuen Rubrik stellt die Fan- und Förderabteilung (FuFa) des SV Darmstadt 98 aktuell in Fußball-Deutschland kontrovers diskutierte Fan-Themen vor.

Heute: Die kürzlich veröffentlichten Pläne der DFL zur Umgestaltung der Spielpläne in der 1. und 2. Bundesliga und die daraus folgende Diskussion – aus aktuellem Anlass zum Spiel Werder Bremen gegen den VfB Stuttgart am heutigen Montagabend.

1.) 3 Ligen – 3 Terminraster

Der gemeine Lilienfan wurde in den letzten drei Jahren „terminlich“ ganz schön durcheinander gebracht: Drei Ligen haben die 98er bespielt und dadurch auch Erfahrungen mit drei verschiedenen Arten der Verteilung von Spielen auf Wochentage und genaue Uhrzeiten gemacht. Neben der ständigen Anpassung war dabei auch ligaunabhängig das größte Problem: Die mangelnde Planungssicherheit, wenn vor allem bei den vielen möglichen Anstoßzeiten die exakte Terminierung teilweise sehr kurzfristig erfolgt. Zuletzt war das Anfang März zu erleben, als erst dienstags die Termine des übernächsten Wochenendes feststanden. Klar: Will man die Spiele live im Stadion sehen, muss man gegebenenfalls spontan einen Urlaubsantrag einreichen. Auch wird die Arbeit aller Organisatoren von Auswärts-Bus- oder -Bahnfahrten nicht gerade erleichtert – was auch direkt uns als FuFa trifft.

Uebersicht1
* = Ohne Länderspiel-Woche davor oder DFB-Pokal-Woche danach, hier ergeben sich Abweichungen. Ebenso bei den „isolierten“ Spieltagen der 2. Bundesliga zu Saisonbeginn bzw. der Bundesliga nach der Winterpause. Berücksichtigt werden muss unter Umständen auch die Anzahl der deutschen Starter in der Europa League, die donnerstags spielt. An den letzten beiden Spieltagen einer Saison werden die Spiele einer Liga jeweils zeitgleich ausgetragen (3. Liga: Sa, 13.30 h, 2. Liga: So, 15.30 h, Bundesliga: Sa, 15.30 h). Nicht berücksichtigt sind die derzeit zwei „englischen“ Wochen.
** = Die Anzahl der Spiele zu den jeweiligen variiert und können auch ggf. weiter abweichen, etwa aus Sicherheitsgründen.

2.) „Fußball ist Samstag um 15.30 h“

Die Wunschvorstellung vieler Fans, grundsätzlich die Spiele samstags um 15.30 h anzupfeifen, scheint in weiter Ferne zu sein. Allerdings wurden schon vor den 90er-Jahren und der „Kommerzialisierung“ des Fußballs mit der flächendeckenden Einführung von Flutlichtern einzelne Spiele vom Samstagnachmittag herausgelöst und etwa am Freitagabend ausgetragen. Englische Wochen waren ebenfalls üblich und durchaus auch bei Fans beliebt. Eine frühzeitige Terminierung aller Spiele vom Sommer bis zur Winterpause und dann in der Winterpause bis zum Saisonende verhinderte größere Probleme – etwa mit dem Arbeitgeber.

3.) Verschiebung der Einnahmequellen

Die „Kommerzialisierung“ des Fußballs ist eng verknüpft mit der Vermarktung der Fernsehrechte. Kontinuierlich wurden die generierten Millionenbeträge zwei- bis dreistellig – nun steht ein Abschluss von über einer Milliarde Euro im Raum! Wahnsinnige Summen, die zum Großteil aber direkt an die Clubs ausgeschüttet werden (nach einem derzeit noch vom Solidaritätsgedanken getragenen Schlüssel, der aber auch von mehreren Seiten in der Kritik steht). Klar, dass die Gelder bei den Vereinen sehr willkommen sind und die Clubs bei der Lizenzierung die Vorgaben und Wünsche des Fernsehens weitgehend akzeptieren. Nach dem Motto: „Wer die Party zahlt, darf auch die Musik aussuchen…“

4.) Die Initiative „Pro 15:30“ und die Folgen

Eine erste massive Protestwelle regte sich Anfang der Nuller Jahre mit der Initiative „Pro 15:30“, als Samstagabend- und Sonntagsspiele eingeführt wurden und dadurch der vormals geschützte „Amateur-Sonntag“ mit Bundesliga-Spielen in Konkurrenz trat. Der Wunsch nach zumindest einer Kilometer-Obergrenze hinsichtlich der Entfernung bei Sonntagabend-Spielen wurde in der Folge wegen der Europapokal-Teilnehmer, deren Spiele hauptsächlich dorthin gelegt wurden, nicht erfüllt. Die damals formulierten Befürchtungen, die Zuschauerzahlen würden massiv zurückgehen, haben sich jedoch ebenfalls nicht bewahrheitet: Die Bundesliga boomt weiterhin und vermeldet fast jede Saison einen neuen Rekord beim Zuschauerschnitt. Auch in der 2. Bundesliga ist das Interesse durch Vereine wie Kaiserslautern, Nürnberg oder St. Pauli ungebrochen hoch. Mit der Zeit hat sich der größte Protest gelegt – in den letzten Jahren haben sich die Termine im wahrsten Sinne des Wortes scheinbar „eingespielt“, wenn auch das Montagsspiel der 2. Bundesliga vielen ein Dorn im Auge bleibt. Der Protest erscheint nur noch punktuell und bei Einzelspielen, wie etwa in Darmstadt beim Auswärtsspiel in Aue an einem frühen Freitagabend-Termin. Dennoch: Die Fanvereinigung „ProFans“ verleiht jedes Jahr den sogenannten SAM-Preis („SpielAnsetzungsMonster“) an die Fanszene, die am härtesten von unangenehmen Anstoßzeiten getroffen wird (in diesem Jahr der Hamburger SV).

5.) Die geplanten Neuerungen

Dass der Konflikt um die Anstoßzeiten noch immer schwelt und schnell wieder aufs Neue entflammen kann, zeigt die Diskussion um die nun von der DFL vorgestellten Neuerungen, die auf den ersten Blick marginal erscheinen, auf den zweiten Blick aber durchaus weiter reichende Konsequenzen haben:

Uebersicht2

* = 2 „englische“ Wochen sind geplant.

Positive Aspekte aus Fansicht:
Für die Zweitligisten bleiben die Anstoßzeiten zwar sehr früh, aber eines der Freitagabend-Spiele wird auf den Samstag gelegt.
Belegt die Bundesliga den Montags-Termin, gibt es ein weiteres Spiel der 2. Bundesliga am arbeitnehmerfreundlichen Samstag.

Problematische Aspekte aus Fansicht:
Egal in welcher Liga: Der Montags-Termin scheint auch für die 2. Bundesliga auf 20.30 h gelegt worden zu sein – also nochmal 15 Minuten später als aktuell.
Durch die 5 Montags-Termine der Bundesliga gibt es an einem Wochentag potenziell eine größere Anzahl Fans, die zum Spiel unterwegs sind als das bei einem Zweitliga-Spiel der Fall wäre. Ist die Entfernung zudem sehr groß (wie aktuell beim „Prototyp-Spiel“ Bremen gegen Stuttgart), kommen Fans um 2 Tage Urlaub nicht herum.
Die 5 Bundesliga-Spiele am Sonntag um 13.30 h entwerten weiter den Amateur-Sport und treten in direkte Konkurrenz zu den Spielen der 2. Bundesliga.
Dem Hauptspiel-Termin – Samstag, 15.30 h für die Bundesliga – wird 10x pro Saison ein eigentlich dort angesiedeltes Spiel entzogen.

6.) Seifert: „Nur 5 von 306“

Die Aussage von DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, die Änderungen beträfen nur 5 von 306 Spielen einer Bundesliga-Saison, ist insofern eine Verkürzung: Die Veränderung betreffen ja nur Spiele des Kerntermins am Samstag um 15.30 h. Bei 30 geplanten normalen Wochenend-Spieltagen werden somit 10 von möglichen 150 auf einen anderen Termin gelegt, der aus Fansicht deutlich weniger attraktiv als der ursprüngliche ist. Faktisch wird also eins von jeweils 15 Spielen des Kerntermins am Samstag verlegt – somit überrascht der Protest nicht.

Durch die Einführung eines Bundesliga-Montagsspiels sehen viele Fans auch die „Büchse der Pandora“ geöffnet. Wer garantiert, dass nach dem Auslaufen des kommenden Vertrags die Spieltage nicht noch weiter zersplittert werden?

Viele Fanszenen haben aus diesen Gründen kritische Statements zu diesen Neuerungen verfasst, allen voran das Commando Cannstatt, die größte Ultragruppierung des VfB Stuttgart, deren Fanszene am heutigen 2. Mai als erste betroffen sein wird. In Darmstadt hat sich u.a. der Block1898 entsprechend kritisch geäußert.

Es bleibt abzuwarten, ob Fanorganisationen wie ProFans, Unsere Kurve oder BAFF wie bei den Initiativen „Pro 15:30“, „12:12“ oder „Kein Zwanni für nen Steher“ zu flächendeckendem Protest anregen können oder ob die Mehrheit der Fans die Änderungen hinnimmt. Quote und Stimmung werden es zeigen.

7.) Blick über den Tellerrand

Aufschlussreich ist zum Abschluss der Blick über den „Tellerrand“ in die anderen „großen“ vier europäischen Fußball-Nationen. Natürlich fällt dabei auf, dass in Deutschland mit den grundsätzlich derzeit fünf Anstoßzeiten und der Wahrung eines Hauptspiel-Termins am Samstag um 15.30 h mit immerhin 5 Spielen am wenigsten „Salami“ existiert. Doch nur, weil es woanders vermeintlich „noch schlimmer“ ist, wird eine Diskussion über die Akzeptanz von Veränderungen ja nicht obsolet… Die Spieltermin-Übersichten in Deutschland, England, Spanien, Italien und Frankreich sind unten als pdf abrufbar.

England:
Es gibt hier weiterhin einen Hauptspiel-Termin am Samstag um 16 h, an dem 174 der 380 Spiele stattfinden (45,79%).
An fast jedem Spieltag wird samstags zuvor und danach jeweils ein weiteres Spiel ausgetragen, so dass knapp 61% (231 Spiele) am Samstag stattfinden.
Der Sonntag ist mit bis zu drei Anstoßzeiten relativ zersplittert, nach 17.30 h wird allerdings kein Spiel angepfiffen. Frühste Anstoßzeit ist um 13 h.
Der Freitag wird praktisch gar nicht bedient (nur eine Partie am 2. Spieltag diese Saison).
Dafür gibt es Spiele am Montag: 16 Einzelspiele abends um 21 h (8 weitere fanden ausnahmsweise tagsüber kurz nach Weihnachten statt).
Die vier Spieltage unter der Woche haben dienstags und mittwochs meist Anstoßzeiten um 20.45 h, einige Spiele auch erst um 21 h.
Verlegungen wegen Spielen im Liga-Pokal oder FA-Cup können sich auf den Spielplan auswirken.

Spanien:
Hauptspieltage bleiben Samstag und Sonntag (78%), allerdings gibt es keinen Hauptspiel-Termin. Samstags gibt es bis zu fünf verschiedene Anstoßzeiten (darunter etwas absurd 22.00 h und 22.05 h), sonntags bis zu vier.
Dadurch finden nie mehr als 2 Spiele tatsächlich parallel statt. Zu welcher Zeit das ist, ist variabel.
Einzelspiele gibt es unregelmäßig am Freitag (23) oder Montag (17).
An den vier Spieltagen unter der Woche scheinen die Zeiten sehr willkürlich festgelegt zu werden – die 27 Mittwochs-Spiele sind auf acht verschiedene Anstoßzeiten verteilt.
Die Zentralvermarktung in Spanien ist aufgehoben, ein typischer „Salami-Spieltag“ das Resultat.

Italien:
Der traditionelle Fußball-Tag in Italien ist der Sonntag. Hier finden 223 der 370 terminierten Spiele statt (60%) – davon 130 am Hauptspiel-Termin um 15 h.
Die restlichen 93 Sonntags-Spiele sind auf drei weitere Zeiten verteilt, eine davon extrem früh (12.30 h, 27 Spiele), die anderen später (18 h, 19 Spiele, 20.45 h, 47 Spiele). Gerade der Spättermin am Sonntag bringt Schwierigkeiten für den folgenden Arbeits-Montag mit sich.
Freitags finden in dieser Spielzeit lediglich 5 Spiele statt.
Die insgesamt 72 Samstags-Spiele (nur 19,5% aller Spiele) verteilen sich mehrheitlich auf den Abend: 31 beginnen um 18 h, 32 um 20.45 h – nur 9 Partien starten um 15 h.
Montags gibt es in dieser Saison 18 Spiele, davon 6 um 19 h, 4 um 20.45 h und weitere 6 um 21 h.
Bis zu zwei Spiele können – vom Hauptspiel-Termine am Sonntag um 15 h abgesehen – parallel liegen.
Spiele unter der Woche finden überwiegend mittwochs um 20.45 h statt.

Frankreich:
In Frankreich ist der Samstagabend um 20 h die Hauptspielzeit. Zu diesem Termin finden 38% aller Liga-Spiele statt.
Auch ansonsten gibt es eine klare Zeit-Struktur (bis auf wenige Ausnahmen): Ein Spiel am Freitagabend um 20.30 h, eines am Samstag um 17 h und drei Termine am Sonntag (14 h, 17 h, 21 h).
Ausnahmen waren ein Einzelspiel am Freitag um 18.30 und ein Samstagsspiel um 14 h.
Montags gibt es in Frankreich keinen Erstliga-Fußball.
Bei Spieltagen unter der Woche gibt es auch weiterhin einen Hauptspiel-Termin (5 oder 6 Spiele parallel am Mi, 19 h), alle anderen Spiele erhalten Einzeltermine von Dienstag (8) bis Donnerstag (3).

8.) Fazit

Sind die Pläne der DFL gerade im Hinblick auf die anderen Fußball-Nationen moderat? Hat der deutsche Fußball tatsächlich einen Wettbewerbsnachteil? Oder doch: „Wehret den Anfängen!“? Mit diesem Text möchten wir eine Diskussion anstoßen und sind gespannt auf Meinungen, Kommentare und Rückmeldungen! Dieser Text ist ebenfalls nochmal unten als pdf abrufbar.

Text: Markus Sotirianos (Abteilungsleiter FuFa des SV 98)

PDF-Dokumente zum Download:

Kontroverse – Anstoßzeiten
Spanien
Italien
England
Frankreich
Deutschland

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