Deutschlandweite Sympathien – Lilien siegen 1:0 gegen Leipzig!

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Inzwischen ist es Sonntag Abend geworden und ich verirre mich beim letzten Mailcheck des Tages auf die Facebook-Seite der 98er… Täuscht es, oder sind die Reaktionen auf den Sieg gegen das ungeliebte Marketing-Konstrukt aus Leipzig heute besonders intensiv und breit? Ganz Deutschland dankt uns! Fans von Liga-Konkurrenten und hessische Rivalen gratulieren zu einer grandiosen Leistung, voller Herz und Leidenschaft. Nach dem unfassbaren Relegations-Finish im Mai hat sich der Verein sehr viele Sympathien von neutralen Fußballfans erspielt – seit gestern liebt uns das ganze Land!

Und das vielleicht nicht nur dafür, dass wir den Leipzigern eins ausgewischt haben, sondern dafür, dass ausgerechnet wir es waren. Das komplette Gegenprodukt: Ein Verein mit Tradition. Ein Verein mit manchmal unbequemen Fans, die aber jederzeit als Mitglieder mitreden dürfen und die – Novum im deutschen Fußball – letzte Woche eine Strafe aus eigener Tasche bezahlt haben. Ein Verein mit deutlich geringeren finanziellen Mitteln als ein Großteil der Konkurrenz – und vor allem als der Gegner vom Samstag. Ein Verein, der nur deshalb sportlich so gut dasteht, weil er einen Marathon-Mann als Trainer hat, der Leidenschaft und Teamgeist vorlebt. Ein Verein, dessen Mannschaft das angestaubte Bild des Elffreundeseinmüssens mit bedingungsloser Kameradschaft auf dem Platz wiederbelebt. Ein Verein, der vielleicht wie derzeit kein zweiter Proficlub hierzulande die romantisch-traditionellen Vorstellungen der Fußballfans in Deutschland noch erlebbar macht. Wie geil ist das, bitte!?!

Ich hatte am Samstag „Dienst“ am Liveticker, aber weil ich bei Heimspielen als Abteilungsleiter der FuFa vielerlei Aufgaben habe, war ich schon um 11 h im Stadion. Unser Lilienkurier-Verkaufsteam war anfangs wegen des Bahnstreiks unterbesetzt, also stellte ich mich mit meinem Kollegen Simon erst einmal an einen der Stände. Dabei konnte ich schon beobachten, dass viele Fans es in den Eimern der „Strafen“-Spende-Sammler rascheln ließen und wie große rote Papierblätter den Besitzer wechselten. Die Atmosphäre war freudig angespannt und es war spürbar, dass die Leute heute besonders motiviert waren, von den Rängen aus dem Team beim Kampf gegen den sehr jungen Gästeverein zur Seite zu stehen.

Mein eigentlicher Liveticker-Kollege war leider am Tag zuvor krank geworden, weswegen ich mir dann Simons Unterstützung und die eines griechischen Gastes, Spyros, sicherte… Laptop geholt, Programm hochgefahren und los ging es schon mit dem Liveticker – etwa 15 Minuten vor dem Anpfiff. Ich hatte mir überlegt, wie ich als Texter für den Verein mit der besonderen Konstellation umgehen wollte. Klar, dass angesichts des Gegners die Emotionen hochschlagen würden, auch bei mir. Es gibt ja einige „Ticker-Vorbilder“ wie z.B. das Portal „schwatzweiß“ von Borussia-Dortmund-Fans, das im letzten Jahr in besonderer Weise auf das Gastspiel der Sachsen reagiert hatte. Als offizieller Vereins-Tickerer muss man da natürlich vorsichtig sein. So beließ ich es einfach bei ein paar einleitenden philosophisch angehauchten Sätzen: Geht man nämlich in besonderer Weise auf die „Besonderheiten“ der Gäste ein, bietet man ihnen genau die gewünschte werbemäßige Plattform. Egal, ob man gut oder schlecht berichtet. Geht man aber gar nicht darauf ein, akzeptiert man den Gegner als „auf Augenhöhe“ und duckmäusert sich weg. Für mich bestand der Kompromiss dann darin, weniger über die zu schreiben, als vielmehr über uns. Und so kam mir die aktuelle Vereinsbezeichnung des Nachfolgevereins des SSV Markranstädt nicht über die Tasten. Die deutsche Sprache bietet hierfür „Gäste“ oder „Gegner“ an… Auch die Spielernamen müssen ja nicht unbedingt erwähnt werden, wenn man die Positionen beschreiben kann. Torwart, Rechtsverteidiger, Stürmer aus Dänemark – das ist ja alles eindeutig genug.

Die Choreo zu Beginn war fantastisch. Gänsehaut pur! Und das Pfeifkonzert ohrenbetäubend. Irre intensiver Beginn von den Lilien, die sich dann nach kaum fünf Minuten bereits mit dem Führungstreffer belohnten. Das Stadion komplett am Ausrasten! Ich alle paar Sekunden mit den Augen auf dem Spielfeld und dann wieder auf den Tasten des Laptops vor mir. Ihr glaubt gar nicht, wie schnell so ein Spiel dann rumgeht, wenn man zu schreiben hat… Und so richtig viel bekommt man vom Spiel selbst gar nicht mit, weil man die Hälfte der Zeit halt am Tippen ist… Zum Glück halfen mir Spyros, Simon, Ingo und Thorsten, der Web-Team-Chef, immer wieder mit Infos mit.

Aller Abneigung gegen den Gastverein zum Trotz möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass das Spruchband „Du musst kämpfen, Johnny!“ aus dem Gästeblock durchaus positiv registriert wurde. Es gibt wohl doch den ein oder anderen halbwegs Vernünftigen in der Kundenkartei.

Über das Spiel ist in den anderen Medien ja genug geschrieben worden. Die Lilien warfen sich auch weiter mit Leidenschaft in jeden Zweikampf, hatten selbst in der 2. Halbzeit noch die ein oder andere Gelegenheit. Die Defensive stand gut – und bei der einzigen dicken Chance der Gäste war Christian Mathenia da. Nach dem Schlusspfiff kannte der Jubel kaum Grenzen!!! Ingo, der den Spielbericht schreibt, war sogar so schnell mit seinem Text online, dass für mein Schluss-Fazit und die Verabschiedung am Ticker gar keine Zeit mehr blieb…

Also, Sachen zusammengepackt und ab zur PK, Spyros und Simon mit im Schlepptau. Dort wollte ich dann noch die Trainerstimmen aufschreiben… Gesagt – getan… Beide Trainer blieben ganz sachlich bei der Spielanalyse und fanden das Ergebnis unter dem Strich verdient. Überhaupt hatte man den Eindruck, dass auch die Berichterstatter im Presseraum nicht so ganz glauben konnten, was sie gerade erlebt hatten. Da liefen einige Leute mit einem kindlichen Strahlen im Gesicht herum, als ob sie gerade ihre Weihnachtsgeschenke ausgepackt hätten… Mit der Übergabe des Laptops an Tom Lucka, unseren Medienbeauftragten, war dann mein Liveticker-Tagewerk vollbracht. Das SV98-Tagewerk noch nicht ganz, denn neben ein paar Gesprächen im Stadion wegen bevorstehender FuFa-Aktionen standen dann noch drei Stunden FuFa-Vorstandssitzung auf dem Plan, bevor ich mich dann – dem Bahnstreik zum Trotz – endlich in meinen Wohnort im Ruhrgebiet aufmachen konnte… In den Ohren immer noch den Jubel aus dem Stadion und im Gesicht ein dickes Grinsen…

Markus Sotirianos

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