Das Schwierigste am Erfolg ist die Zeit danach

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DAnke, Aytac! Das Gesicht einer Ära verlässt die Lilien…

Wir schreiben das Jahr 2019. Vor 40 Jahren spielten unsere 98er erstmals in der Bundesliga und die Namen der damaligen Feierabendprofis mit der Lilie auf der Brust haben heute noch einen Klang wie Donnerhall: Edwin Westenberger, Willi Wagner, Dieter Rudolf, Walter Bechtold, Peter Cestonaro, Uwe Hahn… Es war die Generation, die den Verein auf seinen Höhepunkt hob, nachdem in den frühen 50ern die 98er erstmals in der höchsten Klasse spielten. Die Namen von damals – Karl Mühlbach, Werner Böhmann, Horst Fiedler, Georg Reeg, Albert Thalheimer oder Willi Abt – mögen damals noch präsent gewesen sein, sie sind heute etwas verblasst…

Wenn im Jahr 2059 die Lilien vielleicht erstmals im Europapokal spielen und der Vereinsgeschichte ein erneuter Höhepunkt hinzugefügt wird, dann werden sich die Menschen des Vereins noch immer an die Mannschaft der 2010er Jahre erinnern – und an ihr Gesicht, ihre Symbolfigur – ohne die Leistung anderer schmälern zu wollen: Aytac Sulu.

Ein Sportler, der in den sechs Jahren, die er das Trikot mit der Lilie trug, persönlich zur Verkörperung des Darmstädter Erfolgs wurde und als Kapitän immer voranging. Als Anführer hat er als einziger die komplette Geschichte mitgeschrieben – bis zu dieser Winterpause –, eine Geschichte des Scheiterns zuerst, dann des Glücks am grünen Tisch und des dann folgenden unfassbaren Aufschwungs, der über drei goldene Jahre zum Vereinshöhepunkt mit dem Klassenerhalt in der 1. Bundesliga führte.

Aytac Sulu wird für künftige Generationen von Lilienfans immer mit diesem Erfolg verbunden sein, die Verkörperung von der Wir-geben-nicht-auf-bis-wir-unter-der-Dusche-stehen-Mentalität, Johnnys „Dumusstkämpfen“-Motto, bedingungslosem Einsatz trotz vielleicht begrenzter spielerischer Fähigkeiten. Aytac Sulu ist die personifizierte Idee, dass der Underdog den Großen ein Bein stellen kann, wenn er alles gibt.

Das Schwierigste am Erfolg ist aber mit die Zeit danach. Die letzten zweieinhalb Jahre versuchte der Verein und auch sein Kapitän, Darmstadts Stabilisierung im Profifußball zu schaffen. Das ist irgendwie weniger „sexy“ als die dreijährige Aufsteiger-Story, aber für den Verein eigentlich der nachhaltigere Teil. Dass Darmstadt nach dem Höhepunkt nicht mehr immer der Underdog war, der nur gewinnen kann – zumindest in der Wahrnehmung mancher Fans oder auch mancher Spieler – mag ein Teil dieses Prozesses des „Erwachsenwerdens“ als Verein sein. Sich dem aber trotzdem zu stellen, dem gebührt Respekt! Denn als „Held“ auf dem Höhepunkt die Geschichte weiter mit zu begleiten, kann gefährlich sein und das eigene „Denkmal“ ins Wanken bringen.

Vielleicht hat er es gemerkt, dass es die Stimmen gab, die seine Führungsrolle in der Mannschaft aufgrund eigener Leistungsschwankungen mehr und mehr in Frage stellten. Einige Gegner-Trainer benannten offen auf Pressekonferenzen Darmstädter Tempo-Schwachstellen in der Defensive. Das lag mit Sicherheit nicht alleine an einzelnen Spielern, aber Sulu konnte als Kapitän nicht mehr die absolute Souveränität ausstrahlen, die alle von ihm kannten. Daher haben wir – mit aller Wehmut im Herzen – allergrößten Respekt vor seiner Entscheidung, nochmals eine neue Herausforderung annehmen zu wollen und danken mit allem, was wir haben, für seinen Einsatz in der geilsten Zeit der Vereinsgeschichte. Mach’s gut, Eisen-Aytac, der sich selbst die Zähne zieht…

Was bleibt, ist die Erinnerung – hier nochmal die Schlaglichter Deiner neun Bundesliga-Tore:

1.) 1:0 in Leverkusen zum 1. Sieg nach dem Bundesliga-Aufstieg
2.) 2:2-Ausgleich in Dortmund kurz vor Schluss, mit dem der Signal-Iduna-Park verstummte
3.) Der Führungstreffer zum 1:0 in Ingolstadt, ein typisches Ecke-Kopfball-Sulu-Tor, auch wenn das Spiel dann verloren ging
4.) Der Höhepunkt eines jeden Lilienfans: Das 1:0 als Eintracht-Knecht-Ruprecht
5.) Die 1:0-Führung in Hoffenheim beim 2:0-Auswärtssieg (danach kam Nagelsmann…)
6.) Die 2:1-Führung bei Werder Bremen, als erst Pizarro uns kurz vor Schluss den Sieg klaute
7.) Die 1:0-Führung beim HSV, der Basis zum 2:1-Sieg
8.) Die 1:0-Führung gegen Mainz kurz nach Johnnys Tod
9.) Erneut die 1:0-Führung beim HSV und dem letzten Auswärtssieg in der Bundesliga

DAnke, Capitano! Alles Gute Dir und Deiner Familie für die Zukunft!

Text: Markus | Fotos: Danke an Stefan Holtzem (holtzem.com)

2 Kommentare

  1. In Erinnerung bleibt – wenn auch „trivial“ – ein Spieler der an der Seitenlinie den ausgeboxten Zahn abgibt und einfach weiterspielt!
    Ein Führungsspieler wie es im „Buch“ steht!!

  2. Ein wahrhaft großartiger Spieler und eine beeindruckende Persönlichkeit – aber nicht (wie es im Artikel heißt) der einzige, der vom sportlichen Abstieg 12/13 bis zum Klassenerhalt 15/16 zum Kader gehörte.
    Benjamin Gorka und Michael Stegmayer sollten an dieser Stelle nicht vergessen werden bzw. im Schatten, den Aytac mit seiner Leistung für die Lilien zweifelsohne wirft, verblassen.

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