Für den Fanbeauftragten beginnt das Auswärtsspiel schon lange vor der eigentlichen Abfahrt, meistens sogar noch vor dem letzten Heimspiel. Während der Gastgeberverein, in diesem Fall die Braunschweiger Eintracht, möglichst frühzeitig Informationen über die erwartete Gäste sammelt, gilt es sich selbst für die anstehenden Anfragen Darmstädter Reisewilliger vorzubereiten: Wo kann man parken? Was kosten die Eintrittskarten? Welche Fanutensilien darf man mitbringen? Einige Standardfragen kommen bei jedem Auswärtsspiel so sicher wie das „Die Sonne scheint…“ vor jedem Heimspiel.
Für den Gastgeber ist es umso interessanter frühzeitig zu erfahren, wie viele Gästefans auf welchen Wegen anreisen werden, um Sicherheit aber auch Verpflegung gewährleisten zu können. In Braunschweig hatten die Prognosen zur Folge, dass der Gästesitzplatz aufgrund der Nachfragesituation für kartensuchende Heimfans freigegeben wurde, während die wenigen sitzplatzsuchenden Lilienfans ein „Upgrade“ auf die Haupttribüne erhielten. Nur drei Darmstädter Fanbusse bedeuteten, dass der Gästebusparkplatz auch für PKW zugänglich sein sollte. Eine Ankündigung, die später noch für Verwirrungen sorgte, da Fans & Ordnungsdienst unterschiedliche Ansichten über einen „vollen Parkplatz“ haben sollten.
Auf der anderen Seite galt es die Braunschweiger Vorschriften für Fanmaterialien, Choreos & Spruchbänder an unsere Fans zu vermitteln. Das geht hin bis zu Brandschutzauflagen der Feuerwehr für spezielle Materialien, die zu beachten sind – all‘ diese Auflagen bewegten sich aber in einem vernünftigen fanfreundlichen Rahmen, wie er leider nicht bei allen Vereinen üblich ist. Kurze Absprachen mit den Heimfanbeauftragten genügten, um alle Vorstellungen der Lilienfans genehmigt zu wissen.
Diese Routine ging mit fortschreitender Fahrt etwas verloren. Stau auf der Autobahn, Stau auf der Umfahrung, Stau wohin man schaute: Das Einzige, was voran kam, war der Minutenzeiger der Uhr, der unnachgiebig & zielstrebig eine pünktliche Anreise in immer weitere Ferne rücken ließ. Das sogenannte „Kurvengespräch“ vor dem Spiel, das zur Vorstellung der einzelnen Entscheidungsträger beider Vereine, sowie zum letzten Austausch relevanter Informationen vor dem Spiel dient, konnte ich schonmal abschreiben. Aus diesem Grund sind übrigens die Fanbeauftragten der Clubs angehalten auswärts, nie gemeinsam zu reisen: Die Rechnung ging auf, und mein autofahrender Kollege Nick konnte diesen Termin wahrnehmen. Dennoch: Den Spielbeginn wollte natürlich keiner verpassen, zahlreiche Anrufe aus anderen Bussen oder Autos ließen das Handy vibrieren, fleißig wurden Ausweichrouten, Staumeldungen und Statusberichte hin- und hergefunkt, um noch das Beste aus der Situation rausholen zu können.
Am Ende kam auch unser Bus noch kurz auf knapp am Spielort an: Die Einlasskontrollen verliefen problemlos, und kaum im Block angekommen, stand man auch schon in der Schweigeminute für den mit nur 16 Jahren an langer Krankheit verstorbenen Mark aus der örtlichen Ultraszene. Diese Aktion wurde vorab von den Heimultras an unsere aktiven Fans kommuniziert, die ihrerseits mit einem Spruchband „Ruhe in Frieden Andy“ einem kürzlich verstorbenen Lilienfan gedachten. Schade, dass diese Gedenkminute teilweise von Pfiffen überschattet wurde, ganz egal, wie man zu Pyrotechnik im Stadion steht, sprach die Negativreaktion einiger Zuschauer gegenüber des „stilisierten Grablichtes“ nicht unbedingt für ausgeprägtes Fingerspitzengefühl.
Zumindest im Gästeblock blieb es die ersten 60 Sekunden ruhig, um danach mit dem gewohnten Support für das Lilienteam zu starten. Die Mannschaft tat sich zusehens schwerer als zuletzt und auch auf den Rängen tat man sich sichtlich schwer gegen die Braunschweiger Übermacht gegenzuhalten. Fast folgerichtig das ärgerliche 1:0, dem man schon eine Sekunden vorab ansah, dass es fallen würde.
Wie man die Lilien kennt, wurde allerdings keinesfalls aufgesteckt, sondern vielmehr eifrig gegengehalten und um den Punkt gefightet, selbst unter Zuhilfenahme von Keeper Mathenia als Stürmer. Nur nützen sollte es alles nichts, mit dem Schlusspfiff fing man sich noch einen Konter und musste punktlos – aber keinesfalls mit hängenden Köpfen die Heimreise antreten.
Dies galt gleichermaßen auch für die Fanbusse. Ein wenig Arbeit wartete noch in Form einer alkoholisierten Kleingruppe, die in ihrem Bus negativ aufgefallen war: Deeskalieren durch Aufteilen hieß der Plan: Gibt es woanders noch Platz in einem Bus, um die Gruppe trennen zu können? Ein freier Platz ließ sich zwar organisieren, am Ende genügten aber ein klärendes Gespräch und etwas Einsicht schon, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Die restliche Fahrt verging ohne besondere Vorkommnisse, genug Zeit also, um schonmal herauszufinden, wo man als Gästefan bei Union Berlin eigentlich parken könnte.
Alex Lehné
2. Bundesliga Saison 2014/15
6. Spieltag
TSV Eintracht Braunschweig – SV Darmstadt 1898
2014.09.19
Eintrach Stadion/Hamburger Straße