Bericht von der Podiumsdiskussion

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„Firma oder Verein?“ Kaum eine Diskussion führen Fußballfans emotionaler, aber was dies letztlich heißt? Eine schwierige Frage, und klar ist einem das selbst nicht so ganz. Die landläufige Meinung setzt den Begriff „Firma“ mit Vereinen wie Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg oder RB Leipzig gleich. Das kann auf den eigenen Verein ja nicht zutreffen. Dort herrscht ja „Tradition“, dort steht kein vermeintlich großer Investor hinten dran und dennoch ist die Profiabteilung möglicherweise kein eingetragener Verein mehr. Also was nun? „Firma oder Verein?“

Der SV Darmstadt 1898 ist ein eingetragener Verein, und die Podiumsdiskussion im Justus-Liebig-Haus vor rund 200 Gästen sollte Argumente für und gegen eine Ausgliederung liefern. Wolfgang Holzhäuser (führte Bayer Leverkusen von einem eV in eine GmbH), Martin Kind (Präsident von Hannover 96), Peter Peters (Vorstandsmitglied des FC Schalke 04 eV), Marc Strauß (Vorstandsmitglied des SV Elversberg, promovierte zum Thema „Fußballunternehmen in Europa“), Daniela Wurbs (stellvertretende Vorsitzende der Abteilung fördernder Mitglieder des FC St. Pauli) und Martin Oetjens (stellvertretender Vorsitzender des HSV Supporters Club) erwiesen sich als erstklassige Teilnehmer, um beide Seiten ausgiebig zu beleuchten.

Ob nun die Lizenzspielerabteilung zu einer AG, GmbH oder GmbH & Co. KGaA ausgegliedert wird und welche Vor- und Nachteile die jeweilige Rechtsform hat, beleuchtete Marc Strauß zu Beginn. Er steht einer Ausgliederung positiv gegenüber, da dies unter anderem eine Rechtssicherheit schaffe und die Gemeinnützigkeit des e.V. sichere. Die folgende Diskussion zeigte, dass gerade letzteres ein großes Thema ist, welches auch die Finanzbehörden beschäftigt. Martin Kind erwartet hier gar, dass das Finanzministerium eine Entscheidung erzwingen wird, weil Profifußball nicht mehr mit dem Vereinsrecht in Einklang zu bringen sei. Fakt ist, das keinem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, bisher. Sollte dies geschehen, verliert der Verein seine Steuerprivilegien und hat Nachzahlungen der letzten 10 Jahre zu befürchten. Bei den Summen im heutigen Fußball möchte man sich lieber nicht ausmalen, aus wie vielen Ziffern diese Zahl besteht.

Schalke 04 ist ein eingetragener Verein und möchte diesen Status auch so lange beibehalten, wie sie sportlich wettbewerbsfähig sind, denn für Peter Peters machen die Menschen den Klub aus. Ihm ist es wichtig, dass der Klub sich in dieser Grundsatzfrage nicht spaltet, dies bedeutet die Schwächung des Vereins und verweist auf den Hamburger Sportverein. Eine große Kampagne führte dort zur Ausgliederung in eine Aktiengesellschaft. Bei dieser Rechtsform haben Vereinsmitglieder keinerlei Bestimmungsrecht mehr und der Vorstand hat eine zu große Macht inne, weshalb auch Holzhäuser dieses Modell in Frage stellt. Wenn man einen Verein ausgliedert, muss man die aktiven Fans abholen und eine gemeinsame Basis schaffen, um Enttäuschungen zu vermeiden. Oetjens als aktiver HSVer beschrieb genau das. Worauf jedoch nicht weiter eingegangen wurde, ist, dass ein Teil der aktiven Fans sich vom HSV abwendete und den HFC Falke e.V. gründete.

Aber nicht jede Ausgliederung muss mit Enttäuschungen und einem gespaltenem Verein enden. Als positives Beispiel nannte Peters die Ausgliederung von Borussia Mönchengladbach, welche geräuschlos stattfand. Jedoch darf man den sportlichen Erfolg nicht außer Acht lassen. Ist dieser vorhanden, gibt es durchaus weniger Reibungspunkte als bei einem Abstiegskandidaten.

Eine große Angst der Fußballfans ist sicherlich die Übernahme des Vereins durch einen Investor und mögliche Änderungen, die damit einhergehen können. Wie Herr Kind betonte, ist der Verein selbst dafür verantwortlich, wem er seine Anteile verkauft und wem nicht. Wer ist jedoch der Verein in einer Kapitalgesellschaft? Genau diese Frage muss ausreichend beleuchtet werden, um die richtige Wahl der handelnden Personen zu treffen. Es sollten Menschen sein, denen die Fans vertrauen, aber selbst dann? Kann man sich sicher sein, dass sie nicht dem großen Geld nachgeben, mit welchem ein „zwielichtiger“ Investor winkt? Welche Rechtsform gibt den aktiven Mitgliedern des Vereins die Möglichkeit, dem einen Riegel vorzuschieben? Die einfachste Antwort ist: der e.V.

Ein Investor mag durchaus auch aus Prestigegründen sein Kapital in den Fußball pumpen, aber letztlich möchte er auch eine Gegenleistung. Daniela Wurbs beschrieb Fälle aus dem europäischen Ausland. So wurden bspw. in Spanien Vereine zwangsausgegliedert, die nicht auf gesunden Füßen standen. Jahre später mussten sich Teile davon dennoch mit Insolvenzverfahren rumschlagen. Auch gibt sie den Kapitalgesellschaften die Schuld am Verfall der englischen Fankultur, wo Fans in der Premier League nur noch apathisch Fußballtickets kaufen und viele aktive Fußballfans eine neue Heimat in den unteren Ligen fanden, dort, wo noch der Sport und nicht der Kommerz im Vordergrund steht.

Was bleibt nun am Ende des Abends? Wie Marc Strauß anmerkte, muss Tradition nicht als Gegenargument zu einer Kapitalgesellschaft stehen. Beides sei durchaus miteinander zu verbinden. Weiterhin sehen die Befürworter der Ausgliederung darin die Chance, sich in Zukunft wirtschaftlich und somit sportlich gut aufzustellen. So pauschal kann man dies jedoch nicht sagen, siehe Schalke und wie Oetjens richtig anmerkte, muss man diesen Schritt für jeden Verein separat beleuchten. Das heißt im Detail ist zu klären welche Rechtsform sinnvoll ist, wer sind die zukünftig handelnden Personen, wie werden diese ausgewählt und welches Mitbestimmungsrecht haben weiterhin die Mitglieder des Vereins? Gerade letzterer Punkt ist immens wichtig, denn diese Leute gehen jahrelang zum Verein und hängen mit Herzblut an diesem. Wurbs regt an, dieses Potential viel mehr als regulative Ressource zu nutzen. Und ist es nicht letztlich das, was wir Fußballfans wollen? Egal welche Rechtsform der Verein nun hat, die Fans müssen ein Stimmrecht zur Mitgestaltung behalten.

„Firma oder Verein?“ zeigte, dass man die Ausgliederung nicht in Schwarz und Weiß einteilen kann, ebenso wenig wie die Diskussion über Fußballfans.

(Fotos: Zooom-Box)