Vor dem Re-Start: Interview mit Supporters-Karlsruhe-Vorsitzendem Marco Fuchs

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In zwei Tagen beginnen also die „Geisterspiele“. Wir lösen uns mal kurz von der Diskussion über Sinn und Unsinn derselben und blicken auf unseren sportlichen Gegner. Beim KSC geht es derzeit drunter und drüber. Bei uns spricht Marco Fuchs, der Vorsitzende der Supporters Karlsruhe, ausführlich über die aktuelle finanzielle, vereinspolitische und sportliche Situation bei den Badenern:

FuFa: Hallo Marco, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview nimmst! Du bist Vorsitzender des Supporters Karlsruhe 1986 e.V. – wer genau ist bei Euch Mitglied und in welcher Beziehung steht Ihr zum KSC?

Marco: Hallo nach Darmstadt, aber gerne doch. Vor allem in der aktuellen besonderen Zeit, mit der für uns ungewohnten Situation und einem Leben auf Distanz mit einem Spiel gegen Euch, bei dem wir alle nicht im Stadion sein können.

Die Supporters Karlsruhe wurden schon 1986 als Interessensgemeinschaft Karlsruher Fußballfans gegründet. Ziel war es damals unter anderem eine Fanarbeit in Karlsruhe aufzubauen. So konnte auch recht schnell auf Initiative von uns, das Fanprojekt Karlsruhe ins Leben gerufen werden. Eine starke Partnerschaft, die bis heute existiert und die Fanarbeit in Karlsruhe maßgeblich positiv voranbringt. Wir bezeichnen uns als Fan-Dachverband, ich nenne es auch gerne immer die „Gewerkschaft der Fußball-Fans“, der offiziell vom Karlsruher SC anerkannt ist. Wir sind ein Verein, bei dem einzelne Fans Mitglied werden können und wir sind stolz darauf, dass wir tatsächlich unter unseren aktuell rund 3.500 Mitgliedern wirklich jedem Fan – vom Fanblock bis zur Haupttribüne, vom Ultra, Normalo und der Kutte bis hin zum Anzugträger – ein gemeinsames „Dach“ bieten, das gerne angenommen wird. Wir sind ein eingetragener Verein und somit völlig unabhängig vom Karlsruher SC. Das erlaubt uns ohne schlechtes Gewissen auch kritische Dinge im Verein oder den Verbänden in der Öffentlichkeit offen anzusprechen. So waren wir schon oft diejenigen, die auch Veränderungen im Verein bewirken konnten, ohne in eine Abhängigkeit zu geraten. Wir haben unsere eigenen Netzwerke, die wir im Sinne des Vereins nutzen können und genießen auch in der Stadt Anerkennung durch unsere immer konstruktiv-kritische Begleitung des KSC. Und dennoch haben wir, gemeinsam auch mit dem Fanprojekt, in unserem „3-Säulen-Modell der Fanarbeit in Karlsruhe“ einen direkten und guten Draht zu den Verantwortlichen im Verein und der Fanbetreuung.

Es sind ja gerade durchaus stressige Tage bei Euch. Neben Corona sorgt die scheinbare wirtschaftliche Schieflage in Eurem Verein für richtig Wirbel in der Fächerstadt… Wie nimmst Du die Stimmung in und um den Verein derzeit wahr?

In der Tat. Die Stimmung ist angespannt, um nicht zu sagen, sie ist eskaliert. Mich persönlich verwundert es auch nicht. Es gibt viele Menschen um den Verein, die jetzt langsam begreifen, wie schlecht es um den KSC wirklich steht. Fans und Mitglieder, die jetzt merken, dass sie in den letzten Jahren einer großen Lüge aufgesessen sind und sich haben blenden lassen. Ich habe es erst vor ein paar Tagen in einer Videokonferenz mit den offiziellen Fanclubs gesagt, die oft gepredigte „Wir brauchen Ruhe im Verein“-Prämisse kotzt mich einfach nur noch an. Diese Ruhe, dieses „Abnicken“ der letzten Jahre hat den Verein dahin getrieben, wo er jetzt ist. Von daher bin ich froh, dass eine gewisse Unruhe im Verein gerade entsteht, dadurch fangen die Leute an Dinge zu hinterfragen und das ist gut so.

Was ist aus Eurer Sicht der Auslöser für die wirtschaftliche Situation? Welche Rolle spielt dabei der Stadionumbau und die Corona-Situation?

Es ist natürlich ein Trugschluss die Schuld an der aktuellen Situation in der Corona-Krise zu suchen. Die hat heute das Fass zum Überlaufen gebracht, nicht mehr, nicht weniger. Ohne Corona würden wir eben in einem, in zwei oder vielleicht auch drei Jahren über die gleiche Frage der Insolvenz diskutieren. Wenn wir KSC-Mitglieder ehrlich zu uns selbst sind, dann war eigentlich klar, dass es früher oder später soweit sein würde. Der Verein wurde von seinem Präsidenten über die letzten zehn Jahre durchweg von Jahr zu Jahr tiefer in die Abhängigkeit weniger Personen getrieben, ohne selbst nachhaltige Konzepte zu entwickeln. Stattdessen wurde mit Besserungsscheinen die Zukunft bereits „verkauft“. Und wir wissen aus unseren Netzwerken in den Verein auch, dass ein Abstieg diese Saison in die 3. Liga gleichwohl eine dann aber wohl unumgängliche, harte Insolvenz nach sich ziehen würde. Man muss sich die Zahlen der letzten zehn Jahre unter Ingo Wellenreuther anschauen. Besserungsscheine um rund 7,5 Mio. auf heute etwa 9,3 Mio. € erhöht. Rund 3 Mio. € mehr an Darlehen. Alleine in dieser Saison eine Liquiditätslücke von 4,5 Mio., die in weiteren Darlehen oder in Besserungsscheinen enden werden am 30.06. – und das Ganze ohne Corona. Da erkennt zwischenzeitlich jeder, dass er von diesem Präsidium geblendet wurde. Natürlich hätte der KSC bessere Ertragserlöse in einem neuen Stadion, als es bisher im alten Wildpark der Fall ist. Darin aber einen Grund für die derzeitige finanzielle Situation zu suchen halte ich aber für falsch. Wenn ein Verein wirtschaftlich gut geführt ist – und die genannten Zahlen belegen bei uns aktuell eher das Gegenteil -, dann muss er auch mit einem Stadion wie dem Wildpark, in dem die Pacht nur einen Bruchteil von der im Neubau zu zahlenden beträgt, überleben können. Wir sind schließlich ein „bodenständiger“ und familiärer Club. Die ganz Großen, die anderswo in den modernsten Logen vollumsorgt werden, die werden bei uns höchstens zu Gastspielen auflaufen. Und das ist nicht despektierlich. Ich finde, uns steht dieses Provinzclub-Image und die Nähe zu vielen regionalen Partnern, die auch heute schon gerne in den Wildpark kommen. Dankbar sind wir der Stadt Karlsruhe, die sich nach nicht leichten Diskussionen im Gemeinderat dazu entschieden hat, in Vorleistung für den Stadionneubau zu gehen. Und dennoch schafft es unser Präsident, diese Stadt vor Gericht zu zerren, um Unterlagen einzuklagen. Würdet Ihr als Partner mit so einem Verein noch kooperieren wollen? Dennoch freuen wir uns natürlich auf das neue Stadion, in dem viele unserer Fan-Forderungen eingeflossen sind. Und jeder von Euch, der bei uns schon mal auf der Toilette war – vielleicht sogar im Winter –, wird mir zustimmen: Es ist – trotz des Flairs – durchaus an der Zeit… 😉

Präsident Wellenreuther wurde auf der letzten Mitgliederversammlung nur knapp im Amt bestätigt. Nun bemängelt Ihr vor allem fehlende Transparenz. Ist das vor allem eine Entwicklung der letzten Zeit oder ist das ein grundsätzliches Problem? Was würdet Ihr Euch aktuell wünschen?

Positiv an der letzten Mitgliederversammlung war, dass es endlich wieder eine Wahl gab. Das kannten wir jahrelang ja nicht. Da stand nur das aktuelle Präsidium auf dem Zettel. Alternativen gab es nicht, da auch die Kandidaten jeweils nur mit den anderen antreten wollten. Eine Opposition im Verein war tot. Bis eben letztes Jahr. Die vielen negativen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Die unnötigen, ich nenne sie durchaus auch vereinsschädigenden Rechtsstreite, die unsägliche „Die-anderen-sind-schuld“-Mentalität, die Abmeldung der 2. Mannschaft aus Kostengründen, dies alles hat dann doch Wirkung gezeigt und Menschen im Verein motiviert eine Veränderung herbei führen zu wollen. Und siehe da: Die Mitglieder hatten eine Alternative und es wurde ein verdammt knappes Ergebnis. Statt mit Demut aus dieser Versammlung zu gehen und die Dinge anzupacken, ist nichts passiert und das rächt sich jetzt. Aktuell drückt sich das Präsidium um die Verantwortung über die mögliche Insolvenz und schiebt diese an die Mitgliederversammlung ab. Es muss aber jedem klar sein, dass eine – auch im Nachgang vielleicht falsche – Entscheidung durch die Mitglieder einer Entlastung der verantwortlichen Personen entspricht. Konsequenzen hätten diese in diesem Fall wohl eher nicht mehr zu befürchten. Und das ist doch dreist, oder? Sich vor der durch eine Wahl übertragenen Verantwortung drücken und eine so komplizierte Frage über die Insolvenz den Mitgliedern, die größtenteils – mich eingeschlossen – Laien auf diesem Gebiet sind, zu stellen. Und die Steigerung davon ist, den Mitgliedern bis heute, wenige Stunden vor der Entscheidung keinerlei und ich sage Euch, wirklich keinerlei Informationen über den tatsächlichen wirtschaftlichen Zustand des Vereins vorzulegen. Wir müssen also in der Onlineversammlung möglichst viele Informationen aufsaugen und uns spontan eine Meinung bilden. Ich frage mich, wie das die potentiellen Briefwähler in den letzten Tagen gemacht haben… Daher haben wir – die 2. Vorsitzende der Supporters und ich – als KSC-Mitglieder auch diverse Anträge für die Mitgliederversammlung gestellt, in der wir u.a. wegen fehlender Informationen eine Abstimmung verhindern wollen bzw. wir haben angekündigt, das Ergebnis der Versammlung juristisch prüfen zu lassen und letztendlich auch anzufechten. Wenn Euch das Thema interessiert, wir haben alles auch auf unserer Webseite veröffentlicht (Link hier)

Abschließend: Es kann nur einen Neuanfang mit einem Wechsel an der Spitze geben. Dafür setzen wir uns ein und dafür werde ich am Freitag auf der Versammlung auch votieren. Für die Zukunft im Allgemeinen wünsche ich mir, dass die Mitglieder ihren Verein wieder mehr kritisch begleiten. Aufstehen, Dinge und Entscheidungen hinterfragen. Sich nicht durch die gewählten Verantwortlichen einschüchtern oder gar blenden lassen. Das kann ich auch Euch ans Herz legen. Die Mitgliederversammlung ist das höchste Organ im Verein. Sie ist der Souverän, derjenige, der die Spielregeln bestimmt. Und sie ist es, die am Ende Veränderung erreichen kann.

Die Ausgliederung des Karlsruher SC in eine Kapitalgesellschaft ist noch gar nicht so lange her. Ihr habt den Prozess damals mit begleitet. Welche Aspekte fandet Ihr dabei positiv und gibt es Dinge, die Ihr aus heutiger Sicht anders bewerten würdet?

Das stimmt, wir waren als Dachverband fester Bestandteil des Ausgliederungsausschuss, den der Verein extra dafür ins Leben gerufen hat. Und das ist auch gleich das erste Positive. Wir waren von Anfang an beteiligt und konnten so auch mit unseren Mitgliedern und den Fans in den Dialog treten. Das ist natürlich ein hochkomplexes Thema. Aber ich glaube, wir haben am Ende ein Modell gefunden, dass den Mitgliedern des e.V. noch eine Menge Mitspracherecht bleibt und somit der Verein eigentlich immer die Hand über der ausgegliederten GmbH & Co KGaA haben wird, zumindest, solange es die Mitglieder auch kritisch begleiten. Im Ergebnis haben wir außerdem erreicht, dass wir Fans auch einen Sitz im Aufsichtsrat der KGaA innehaben und darin einen von uns ausgewählten Fanvertreter entsenden können. Hierfür wiederum haben wir eigens unsere eigene Satzung geändert und einen Fanbeirat ins Leben gerufen, der diese „Personalauswahl“ federführend durchführt und uns als Dachverband eine Empfehlung ausspricht, die wir dem KSC zur Wahl vorschlagen. Im Fanbeirat unter unserem Dach finden sich Vertreter von ULTRA1894, dem Sprecherrat der „offiziellen Fanclubs“ und Einzelmitglieder aus der Mitgliedschaft der Supporters.

Der kontrollierende Beirat der GmbH besteht aus fünf Vertretern des Vereins, die durch die Mitgliederversammlung gewählten drei Präsidiums- und zwei Verwaltungsratsmitglieder. Dieses Gremium lässt sich durch zusätzliche Beiratssitze möglicher Anteilseigner (ab 25% Anteile) auf insgesamt neun Personen erhöhen, wobei der Verein mit fünf Stimmen immer die Mehrheit haben wird. Gleichwohl wären die fünf Vereinsvertreter immer an Beschlüsse und Weisungen durch die Mitgliederversammlung des e.V. gebunden. Auch haben wir erarbeitet, dass der Anteil von Aktien, die 25,1 % übersteigen, zustimmungspflichtig durch die Mitglieder des Vereins sind.

Ein Argument, das immer angeführt wurde, um die Ausgliederung zu begründen, war der Schutz des e.V. vor der Insolvenz. Ihr könnt es Euch vielleicht denken. Aktuell müssen wir leider akzeptieren, dass dieses Argument in den ersten fünf Jahren nach der Ausgliederung noch nicht zieht. Der e.V. ist in der sogenannten Rückhaftung durchaus noch einem Risiko der Insolvenz ausgesetzt. Das mussten wir in der aktuellen Diskussion leider anerkennen und hier bin ich selbstkritisch, hätten wir vielleicht mehr und intensiver nachfragen müssen. Auch wollten wir noch direkt gewählte Beiratsmitglieder durch die Versammlung einsetzen, um dem Gremienzwang entgegenzuwirken, aber letztlich mussten auch wir Kompromisse eingehen.

Es wird davon gesprochen, dass der KSC eine Insolvenz in Eigenregie anstreben würde. Sportlich hätte das aktuell keine Auswirkungen, aber was würde das konkret für den Verein, seine Geldgeber, Spieler und Fans bedeuten?

Das kann sich aktuell von Tag zu Tag ändern. Bisher war diese Planinsolvenz eine, durchaus auch von mir persönlich favorisierte Wahl. Aktuell entwickeln sich die Dinge aber wieder in eine andere Richtung, in der eine Insolvenz gänzlich verhindert werden könnte. Grundsätzlich muss man natürlich sagen, dass die Planinsolvenz und dazu unter den aktuellen Rahmenbedingungen der DFL natürlich eine durchaus akzeptable Möglichkeit wäre, die Vergangenheit und den Ballast hieraus abzuwerfen und einen Neuanfang zu wagen. Dennoch birgt jede Insolvenz auch Risiken. Im schlimmsten Szenario haben wir ja gelernt, kann alles kaputt gehen, nicht nur die Kapitalgesellschaft, sondern auch der eigentliche Verein. Das macht vielen natürlich Angst. Und es schafft vielleicht auch nicht das beste Vertrauen für potentielle Geldgeber. Aber: Die aktuellen Gläubiger kennen die Situation in unserem Verein. Diese wissen durchaus auch, dass im Falle einer Planinsolvenz über Vergleiche zumindest im Ansatz die Chance besteht, einen Teil des Geldes wiederzubekommen und dem Verein die Möglichkeit der Gesundung zu geben. Außerdem würden wir aktuell davon ausgehen, dass keinem der Gläubiger daran gelegen ist, dem e.V. als letzte Instanz zu schaden. Schließlich ist auch der KSC für den ein oder anderen Gläubiger durchaus eine Herzensangelegenheit bzw. ein Aushängeschild. Fakt ist aber auch: Bei einer Insolvenz bestehen für Angestellte – und dazu zählen am Ende eben auch die Spieler und Jugendspieler mit entsprechenden Verträgen – Sonderkündigungsrechte. Es ist daher zu befürchten und man munkelt, dass die Spielerberater und Scouts der umliegenden Clubs bereits wie Aasgeier über dem Wildpark kreisen und die Besten und im Nachwuchs letztlich auch unser Zukunftskapital vom KSC loseisen könnten. Da braucht es dann auch sicherlich Überzeugungsarbeit, weshalb es für die eigene Entwicklung besser ist beim kleinen KSC zu bleiben, anstatt ein paar Kilometer in den Norden zu ziehen, um in der Akademie von Hoffenheim nur einer unter vielen zu sein. Auch wenn am Ende die Geldgeber abspringen oder die Spieler davonlaufen: Ich bin überzeugt, dass wir Fans unseren Verein auch in unteren Ligen unterstützen würden. Das hat die Vergangenheit durchaus bei uns gezeigt. Lag der Verein am Boden, haben ihn die Fans getragen.

Eine Gruppe aus Unternehmern scheint – unter gewissen Bedingungen – bereit zu sein, mehrere Millionen zur Verfügung zu stellen, um ein Insolvenzverfahren abzuwenden. Natürlich ist eine Vereinsstabilisierung immer wünschenswert, aber damit würde sich der KSC auch Investoren ins Haus holen. Wie seht Ihr diese Initiative?

Und hier muss man gleich unterscheiden. Bei dem „Bündnis“ handelt es sich nicht um den klassischen Investor der irgendwo investiert, um am Ende einen Profit herauszuschlagen. Es handelt sich hierbei vielmehr um einige regionale Unternehmen oder Privatpersonen, die heute bereits ein mal mehr, mal weniger großes Engagement im Verein haben. Es sind teilweise langjährige Sponsoren dabei, die hier ihre Unterstützung ausbauen wollen. Daher begrüßen wir ausdrücklich den Vorstoß dieses Bündnisses von bisher treuen und verlässlichen Partnern. Dass diese Firmen, teilweise aus leidlicher Erfahrung heraus, aber kein Vertrauen in den aktuellen Präsidenten haben, kann ich nachvollziehen und daher ist die Forderung nach dessen Rücktritt irgendwie auch legitim, wenn sie weitere Millionen in den Verein stecken und so zu dessen weiterer Existenz beitragen. Aber ja, stünde stattdessen ein unbekannter Großinvestor vor der Türe, müssten wir die Diskussion durchaus anders und viel kritischer führen.

Erst die Mitgliederversammlung, tags darauf das erste Spiel ohne Publikum – gegen die Lilien. Auch sportlich steht der KSC vor nicht einfachen Wochen. Wie erlebst Du die Mannschaft aktuell – Corona, Abstiegskampf, Unruhe im Verein – aber natürlich auch mit der Chance, allen Widrigkeiten „jetzt erst recht“ zu trotzen…?

Um ehrlich zu sein, ich kann das eigentlich noch gar nicht realisieren, dass es doch schon wieder weitergeht. Ohne uns. Das wird eine verdammt schwere Zeit so weit weg vom Spiel zu sein. Abstiegskampf ohne die Emotion im Stadion? Wie soll das funktionieren? Fragen über Fragen. Ich glaube, auch für die Spieler auf dem Platz wird es eine komische Situation. Die Trainingspause, die Isolation im Rahmen der Quarantäne. Die Stille im Stadion. Den Gegner sprechen hören. Unser Marc Lorenz hat sich ja auch schon kritisch geäußert, indem er die aktuelle Strategie der DFL als „ein Durchdrücken ohne Rücksicht auf Verluste“ genannt hat. Und auch andere Profis haben ja durchaus schon zu verstehen gegeben, dass sie sich wie Marionetten fühlen. Und das zeigt eigentlich die Perversität des Ganzen. Die modernen Gladiatoren werden irgendwie durch die Fürsten der Liga in die Arena gejagt für „Brot und Spiele“ der Neuzeit. Es ist einfach lächerlich. Das haben wir auch deutlich in unserem Appell an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg zum Ausdruck gebracht (Link hier)

Daher kann ich mir durchaus auch vorstellen, dass sich das alles am Ende sportlich neu mischen wird. Aber auch ein guter Lauf kann am Ende nichts nützen, wenn plötzlich die halbe Mannschaft in Quarantäne muss oder die Saison doch noch abgebrochen wird und am Ende noch ein oder zwei Siege notwendig gewesen wären, um den Abstieg zu verhindern? Hinzu kommt, dass ich beim Besuch des Wintertrainingslager im Januar eine erschreckende Form wahrgenommen habe. Es wird für uns – ob mit oder ohne Corona, als Aufsteiger verdammt schwer. Aber was bleibt mir anderes übrig, als darauf zu setzen, dass wir sportlich die Klasse halten werden und die Mannschaft tatsächlich mit einem „Jetzt-erst-recht“ der ganzen Situation trotzt. Und da das Spiel gegen Euch am Tag nach der wegweisenden Mitgliederversammlung stattfindet, geht vielleicht auch auf dem Platz danach ein Ruck und ein Aufbruch durch die Jungs und wir beenden die Saison mit dem Klassenerhalt.

Darmstadt und der KSC trafen sich ja innerhalb weniger Wochen im letzten Herbst zweimal am Bölle. Bei Hundswetter ging das Ligaspiel 1:1 aus, im Pokal habt Ihr uns durch den Treffer von Anton Fink rausgeworfen… Warst Du bei den Spielen und wie hast Du sie erlebt?

Zugegeben, einmal war ich krank und konnte leider nicht kommen. Aber was soll ich sagen, das Pokalspiel war natürlich – hört einfach weg – geil. Es ist ja ewig her, dass wir ins Achtelfinale einziehen konnten. Und dann gewinnst Du auch noch auswärts. Genial. Gut, jetzt gerne Schadenfreude, trotz des vermeintlich leichten Loses, war es dann ja auch schon wieder vorbei. Dennoch, Pokalspiel, Flutlicht, dazu so ein schönes klassisches (wenn auch schon im Umbau befindliches) altes Stadion, das hat einfach was. Und beim Ligaspiel sah unsere Position ja durchaus besser aus als am Samstag und wir konnten sicherlich mit dem Punkt zufrieden sein.

Mit Jerôme Gondorf und dem am Wochenende gesperrten Änis Ben-Hatira stehen aktuell zwei Ex-Lilien bei Euch im Kader. Welchen Eindruck hast Du von den beiden?

Bei beiden Verpflichtungen war ich durchaus beeindruckt, da ich nicht damit gerechnet hätte, dass sich solche Spieler am Ende für den KSC entscheiden würden. Wir sind Aufsteiger, stehen in der Winterpause bescheiden da und diese aus unserer Sichtweise durchaus gestandenen Profis kommen zu uns. Da sagt man durchaus mal wow. Gondorf hat mich bereits im Trainingslager überzeugt. Mir hat da sehr gefallen, wie er sich recht schnell in die Gruppe integriert hat. Dabei ist er ja ins laufende Trainingslager nach Spanien angereist. Ben-Hatira hatte meiner Meinung nach zu Beginn unter unserem vorherigen Trainer nicht wirklich eine Chance, wobei man sich da schon fragt, weshalb der Spieler dann verpflichtet wurde… Dennoch hatte man das Gefühl, dass bei den wenigen ersten Einsätzen dennoch die Leidenschaft und der Wille da ist, was zu verändern. Da setzt man durchaus Hoffnung, dass solche Spielertypen vielleicht am Ende den Karren nochmal herumreißen können.

Sowohl bei uns als auch bei Euch ist derzeit Stadion-Baustelle. Wie gehen bei Euch die Arbeiten voran – trotz Corona und der drohenden Zahlungsunfähigkeit?

Der Bauablauf ist aktuell nicht gefährdet. Im Gegenteil, die unfreiwillige Pause im Wildpark bzw. die fehlenden Zuschauer könnten die Maßnahme aktuell durchaus beschleunigen. Vielleicht kann so die provisorische Südtribüne, auf der auch aktuell der Gästeblock ist, früher abgerissen und unsere neue Stehplatztribüne schneller errichtet werden. Hier bieten sich durchaus in der aktuellen Krise Chancen. Wie es bei fast jedem Bauvorhaben so ist: Die Kosten sind mal wieder gestiegen und der Gemeinderat muss Ende Mai darüber entscheiden, wie es damit weitergeht. Jetzt versteht Ihr vielleicht auch, dass das egoistische Verhalten unseres Präsidenten gegenüber der Stadtverwaltung, dem Gemeinderat und dem Oberbürgermeister in der Sache dann eher destruktiv ist und eher zu einer Verstimmung als zu einer Zustimmung führen wird. Von daher ist die Mitgliederversammlung auch in dieser Hinsicht wegweisend, wie die weitere Zusammenarbeit zwischen Stadt und Verein ausgestaltet wird. Ich hoffe, dass wir uns bald in Eurem und unserem neuen Stadion ein emotionales Duell auf den Rängen liefern können.

Wie werden der KSC und Eure Fanszene mit den Geisterspielen umgehen? Seid Ihr zur „Ausgestaltung“ – oder eben auch nicht – der Spiele irgendwie mit einbezogen worden?

Für den KSC geht es in der aktuellen Situation natürlich darum, durch die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ein Stückweit Liquidität zu erhalten. Dennoch fehlen natürlich die Zuschauereinnahmen. Es wird definitiv keinen Aufruf geben vor das Stadion zu ziehen. Da sind wir uns alle auch unserer Verantwortung bewusst. Wir stehen im Austausch mit dem Verein und es besteht für die Fanclubs die Möglichkeit ihre Fahnen im Stadion aufzuhängen. Es wird Euch vielleicht überraschen, aber wir als Dachverband gehen tatsächlich einen durchaus auch kritisch zu sehenden Weg. Wir planen aktuell die Übertragung des Spiels in ein Autokino. Wieso tun wir das? Haben wir uns doch klar für den Abbruch der Saison ausgesprochen! Das ist richtig. Wir haben uns von vier Dingen leiten lassen.

1. Sind wir uns bewusst darüber, dass wir auf sehr lange Zeit hin nicht mehr in ein Stadion kommen werden. Optimisten sprechen von frühestens Rückrunde der kommenden Saison, Pessimisten gar von der übernächsten Saison. Das bedeutet, wir müssen uns alle irgendwann mit dem Gedanken auseinandersetzen, wie wir mit dem Thema umgehen und wie wir es schaffen, die Verbundenheit von vielen Fans auch durch diese Krise hinweg zu erhalten, gar zu stärken. Dies gelingt in der Gemeinschaft zusammen Fußball zu schauen und Emotionen zu leben.
2. Gemeinschaft zu leben, wie wir es bisher kannten, ist erstmal im Kontext mit Fußballspielen nicht vorstellbar. Im Stadion gar verantwortungslos. Daher wollen wir einem durchaus großen Teil die Möglichkeit geben dieses Gemeinschaftsgefühl weitestgehend zu leben, unter den aktuell geltenden Richtlinien.
3. Sind wir der Auffassung, wenn wir an unserem Standort den Fuß in der Tür haben und ein funktionierendes Konzept vorlegen, kann dieses schon einmal nicht von den windigen Eventfirmen ausgeschlachtet werden.
4. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert. Unser Ziel ist es, kostendeckend aus der Sache rauszukommen. Jeder Cent, den wir mehr verdienen, fließt durch uns einerseits wieder zurück an den Karlsruher SC bzw. dort in die Jugendabteilung bzw. die anderen Abteilungen des Vereins und wir stellen uns vor, auch die Amateurvereine in der Stadt entsprechend in dieser schweren Zeit zu unterstützen.

Das Ganze wird sicherlich auch nicht bei jedem auf Zustimmung stoßen. Dennoch wollen wir schauen, ob das alles eine fanfreundliche Alternative sein kann. Übrigens planen wir durchaus auch im Rahmen der Veranstaltung die kritische Auseinandersetzung mit dem „kranken Profifußball“ und sehen daher nicht zwangsläufig einen Konflikt mit unserer grundsätzlichen Ablehnung der Fortführung des Spielbetriebs.

In der Stadt haben wir bei Ordnungs- und Gesundheitsamt, aber auch bei der Polizei die volle Unterstützung, da auch diese von der ideellen und organisatorischen Idee überzeugt sind. Einzig SKY bzw. die DFL spielen nicht mit. Während wir innerhalb kürzester Zeit mit der Stadt gemeinsam alles Notwendige in die Wege geleitet haben, hat sich der Verband und der SKY keinen Zentimeter bewegt. Von daher ist es Stand heute auch noch unklar, ob wir beim Spiel gegen Euch hier bereits einen Vorstoß wagen können.

Marvin Mehlem ist ja selbst Karlsruher und hat, wie auch Matthias Bader, beim KSC gekickt. Hattest Du mal mit ihnen zu tun und gibt es etwas, das Du uns verraten kannst?

Bei unseren Veranstaltungen wie der „Nachspielzeit“ (dort werden zwei Spieler von Fans für Fans auf kurzweilige und lustige Art interviewt und bieten teils tolle Einblicke in die Fußballer-Welt und die Kabine) oder auch im Trainingslager kommt man dann schon mal in näheren Kontakt. Da schätze ich an solchen Spielern immer, dass sie irgendwie wissen wo sie herkommen. Also die Bodenhaftung nicht verloren haben und ich glaube, das zeichnet sie dann auch aus und macht sie auf eine andere Weise stark. So schätze ich auch heute noch die beiden ein und würde sie auch gerne wieder in Karlsruhe begrüßen, so ist das nicht. 😉

Danke, Marco, für das Interview!

Danke, dass ich Euch ein bisschen was von uns und unserer aktuellen Situation erzählen konnte. Tolle Idee, schnappen wir vielleicht auch für uns auf. Hoffen wir alle, dass die Krise für uns Fans möglichst schnell ein positives Ende findet und der Fußball seine Lehren daraus zieht und ein Stückweit mehr gesundet und sich seiner wahren gesellschaftlichen Verantwortung bewusst wird. Aber da arbeiten wir ja auch durchaus gemeinsam dran. Bleibt gesund, damit wir uns bald wieder in den Stadien sehen!

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