„Wo liegt denn dieses Dorf überhaupt? Ich tippe heute auf 4:0.“ – Das ist ein O-Ton aus einer Unterhaltung, die ich auf dem Männerklo im Heimbereich Ost des Müngersdorfer Stadions neben mir hörte. Zwei Köln-Fans, der eine trug eines dieser hässlich-gestreiften Karnevalstrikots, der andere Hose, Shirt, Basecap und Brille – alles selbstverständlich mit Geißbock. Wussten die wirklich nicht, wo Darmstadt liegt – oder wollten die einfach nur abwertend reden? Warum sind die so arrogant? Sind die alle so? Und vor allem: was mache ich eigentlich im Heimbereich?
Die letzten zwei Spiele am Böllenfalltor gegen den 1. FC Köln hatten wir immer meine zukünftige Schwiegerfamilie zu Besuch, die extra aus der Siegener Umgebung angereist war, um „ihren Effzeh“ zu sehen und um auch eine gute Zeit in Darmstadt zu verbringen. Schließlich mochten sie den SV Darmstadt 1898 e.V. auch sehr. Also wurden immer Karten für die Gegengerade besorgt, damit alle mitkonnten und wir hatten ein schönes Spiel und auch einen schönen Abend danach. Auf Sätze wie „bald kutt ehr ija un spillt bei m’r em Müngersdorfer Stadion un dann lade m’r üch a“ gab ich nie viel und dachte: Als ob ich bei einem Auswärtsspiel der Lilien im Heimbereich sitze. Lol!
An Weihnachten war es dann soweit und wir empfingen das lieb gemeinte Geschenk: Karten (Sitzplatz!) Köln gegen Darmstadt im April inkl. Hotel und Kölsch. Naja, was will man machen… War ja lieb gemeint.
Der Tag kam und wir fuhren nach Köln. Eigentlich würde ich jetzt in einem Bus sitzen, mit einem Pfungstädter in der Hand und würde dummes Zeug mit Freunden schwätzen, aber so ist auch ok – mal was anderes. In der Tram vom Neumarkt ans Stadion war die Stimmung gut. Viel rot, aber auch viel blau. Auf der großen Wiese vorm Stadion ebenfalls. Wenig Polizei, die Stimmung der Kölner war ausgelassen bis siegessicher, die Sonne brannte, das Kölsch ging gut runter.
Um in den Block O zu, kommen musste man am Gästeblock vorbei, wo mir die ersten bekannten Gesichter begegneten, mit denen ich ein kurzes Schwätzchen hielt. Die meisten Unterhaltungen endeten mit „Aja, wir sehen uns gleich drin!“ und ich dachte mir nur meinen Teil… Drin fand ich schnell den Platz. Ich war nicht das erste Mal im RheinEnergieStadion, aber im Heimbereich schon. Ich saß direkt neben dem Gästeblock und konnte die über 3.000 mitgereisten Heiner sehen und hören. Besser als die Kölner – zum Glück.
Anpfiff. Das Spiel beginnt einigermaßen stürmisch und mit Schwerpunkt in der Darmstädter Hälfte. Schon nach drei Minuten einige Torschüsse auf unser Tor, doch Ferro pariert alles. Kein Durchkommen für den Kölner Sturm. Ein Konter und Yannick Stark von außen auf Holland und der in die Mitte auf Dursun – der köpft und es ist passiert: die Stimmung der Kölner ist am Boden und es steht 0:1 für den SVD. Die Stimmung kocht im Gästeblock. Und zwischen all den Köln-Fans bekomme ich Gänsehaut, weil ich den Block singen höre. Ich wippe mit dem Fuß und singe leise mit.
Nach der Halbzeit erhöht Köln den Druck und startet mit einer Welle von Angriffen und Torschüssen, die allesamt von Ferro abgewehrt werden, dennoch merkt mach schon, dass der Ausgleich nicht mehr lange auf sich warten lässt. In der 66. Minute passiert es dann: 1:1. Man könnte sagen, verdient, mache ich aber nicht. Zehn Minuten später, in der 76. Minute, schafft es Felix Platte, einen Fehler vom Kölner Torwart Horn auszunutzen und besiegelt das Endergebnis.
Der Darmstadt-Block rastet aus! Klassenerhalt! Klassenerhalt – und ich zwischen Kölnern in einem anderen Block! Die Kölner schimpfen und verlangen Konsequenzen, schließlich sei man der 1. FC Köln und Tabellenführer, da kann es doch nicht sein, dass man gegen so einen Dorfgegner verliert! Ich fühle mich unwohl und gehe so nah wie möglich an den Gästeblock, wo sich die Mannschaft gerade feiern lässt. Ich will nie wieder auswärts in einen Heimbereich. Nie wieder! Das verspreche ich Dir, SVD!
Autor: Roy
Hallo Roy,
klasse Kommentar. Ich kann es gut nachfühlen, denn auch meine Verwandtschaft aus der Eifel sind EFFZEH- infiziert.
Sie waren beim letzten Spiel des FC im Dezember auf meine Einladung mit mir im Bölle auf der Nordtribüne.
Deswegen hat mir auch der Auswärtssieg jetzt besonders gut getan, nachdem ich bisher in Köln immer mit leeren Händen (Null Punkten) dastand und entsprechende Kommentare entgegen nehmen musste.
Viele Grüße Winni