Als Tobi Kempe am letzten Samstag in der 90. Minute den Ball ins Netz streichelte, war der Jubel und die Erleichterung über den geretteten Punkt gefühlt noch ein Stück größer als sonst. Ich hatte den Eindruck, dass sich in die Stimmung noch eine Prise „schlechtes Gewissen“ gemischt hatte, sowohl von den Spielern als auch von den Fans, was sich im besonderen Gefühlsausbruch irgendwie Bahn brechen musste…
Emotionen vor dem Spiel
Zunächst aber wurde es vor dem Spiel emotional. Zum einen gedachte der Verein Ewald Menzer mit bewegenden Worten, zum anderen huldigte eine die gesamte Südtribüne überspannende Choreo unserer schönen „Stadt im Walde“. Tolle, mit immens viel Aufwand verbundene Arbeit, vielen Dank dafür!
Abnutzungskampf
Im Spiel dann taten sich unsere „Boys in blue“ aber über weite Strecken mehr als schwer gegen die unbequemen Kurpfälzer. Wer erwartet hatte, dass der aktuelle Tabellenstand für diese Partie irgendwie aussagekräftig sein würde, sah sich schwer getäuscht. Dabei hätte man es durchaus wissen können, was war nicht alles im Vorfeld gewarnt worden! Es war ein Abnutzungskampf mit vielen Stockfehlern und Ungenauigkeiten auf beiden Seiten, so dass spürbar war, dass die Mannschaft mit sich haderte. Es spielt ja niemand extra schlecht, aber wenn Du merkst, dass es nicht so läuft, wie Du es Dir gedacht hast, passiert halt genau das: Du wirst unsicher, hektisch, denkst über Dinge nach, über die Du sonst nicht nachzudenken brauchst und kommst in der Spirale immer weiter runter. Vor der Pause schien sich die Mannschaft gefangen zu haben, aber quasi mit dem Wiederanpfiff kam die kalte Dusche.
„Krokodile“
Und spätestens nach dem Gegentor war der – ich nenn es mal – „Verdruss“ so groß, dass einige Zuschauer meinten, die vermeintlich niedrigere Einsatzbereitschaft mit Pfiffen quittieren zu müssen. Ganz heikles Thema… Man kann ja trefflich darüber streiten, ob und wann Pfiffe ein sinnvolles Mittel zum Ausdruck der „Unzufriedenheit über die Gesamtsituation“ sind. Ärger muss mal raus dürfen – klar, das ist dann auch mal unbedacht, „emotionales Reptilienhirn“ halt… Aber wenn man wieder in der Lage ist, auf „Vernunft“ umzuschalten, kann man sich ja auch andere Impulse von außen überlegen, die eventuell nachhaltiger helfen, dem Team positiv „in den Hintern treten“ und dadurch Sicherheit geben. Dass Kapitän Aytac Sulu das dann auch nach dem Spiel ansprach und die Pfiffe kritisierte, ist daher natürlich verständlich. Aber auch bei Kritik an den Pfiffen sollte man differenzieren: Sie sind ja als Ausdruck der eigenen Unzufrieden- und Unsicherheit sicherlich ein hilfloser Versuch von außen, mit „Unmut“ zu erreichen, dass sich „das Gegenüber“ – also die Mannschaft – „mal endlich zusammenreißt“. Aber das funktioniert doch schon in normalen menschlichen Beziehungen nur so semi-gut. Allerdings wurde gerade in Darmstadt so oft gelobt, welch feines Gespür die Fans doch hätten, so dass – wenn es tatsächlich mal so weit kommt – es dafür vielleicht auch einen wie auch immer gearteten Grund geben könnte und sogar ein Kapitän beim Äußern von Kritik gerne auch mit „Selbst-“ anfangen kann. Jedem sei ein kleines „Krokodil“ zugestanden, vorausgesetzt, man fängt es wieder ein… 😉
Erfolg geht nur gemeinsam
Denn – und das ist die Lehre vom Samstag – es geht – egal unter welchen Voraussetzungen man in ein Ligaspiel geht – immer nur gemeinsam. In der Schlussphase drückten Spieler und Fans gemeinsam auf das Sandhäuser Tor, und als es fiel, war die Erleichterung eben so besonders. Und wenn wir saisonübergreifend mittlerweile auf das 9. Heimspiel hintereinander ohne Niederlage blicken dürfen, hat uns genau das in dieser Phase stark gemacht: Der Zusammenhalt, das Nicht-Aufgeben, das Zurückkommen, auch wenn es mies läuft. Sich mit allem, was man hat, gegen Niederlagen stemmen. Was auch einzelne Punkte wert sind, haben wir dann am Saisonende erlebt. Bei allen Unentschieden in dieser Phase brauchte die Mannschaft unsere Unterstützung, ob es Heidenheim, Ingolstadt, Braunschweig oder jetzt Sandhausen war. Damals, als es ums Überleben ging, machte uns gerade dieser fast schon fatalistische Zusammenerhalt unbezwingbar. Hört die eine Seite damit auf, werden wir insgesamt schwächer.
Blick ins Gruselkabinett
Am Freitag Abend holte Eintracht Braunschweig seinen ersten Sieg in Liga 3 – gegen Carl Zeiss Jena. Am Montag hatte der 1. FC Kaiserslautern die Kölner Fortuna zu Gast und hat auch nach sieben Spielen erst einen Sieg auf dem Konto. Wir spielen am Samstag als Tabellenfünfter der 2. Bundesliga bei Dynamo Dresden. Alleine, wenn ich mich nochmal daran erinnere, wie knapp das war letzte Saison und dass eigentlich wir da unten kicken müssten, krieg ich Gänsehaut… Puh… Wer hilft mit, Krokos zu zähmen…? 😉
Autor: Markus Sotirianos