Spielbericht SV Darmstadt 1898 – FC Ingolstadt 04 | Stadionverbot im Zeichen der Herzen

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Stadionverbot im Zeichen der Herzen

Nur für dich allein schlägt mein Herz

Und wenn du verl… Ja hör mir bloß auf, ich weiß nicht – und das, obwohl ich mir seit Jahren Gedanken zur Antwort mache – was ich in einem solchen Moment denn spüre.

Denn dies Potpourri aus gemischten Gefühlen, das dich als Fan heimsucht, das kannst du doch – Hand aufs Herz – niemandem so richtig und wirklich erklären. Zumindest niemandem, der das nicht selbst regelmäßig mitmacht. Und schon da fällt es ja schwer, denn gefühlt ist gerade die Darmstädter Fanszene in der ihr eigenen Heterogenität nochmal spezieller, eigener und bunter als jede andere. Hier gibt es alles und jeden mit all seinen Facetten – vom alles und zu jedem Auswärtsspiel fahrenden und dauersingendem Ultra bis hin zum Gelegenheitsgänger, der sein Geld alle vier bis acht Spiele mal ins Stadion trägt. Wie sollst du denn jemandem, der seine Erfüllung als Fan darin sieht, nur gegen Lautern und Braunschweig zu kommen und bei jeder Niederlage damit droht, die Dauerkarte zu verkaufen oder nie wieder zu kommen, erklären, dass du das Woche für Woche machst, egal, ob auswärts oder daheim. Egal, ob 100 oder 800 Kilometer einfache Wegstrecke?

Tja, und vor allem wie erklärst du so jemandem oder auch deiner Mutter oder der Holden, die mit dem Spiel mit der kunstlederummantelten Luftblase so gar nichts zu tun haben, dass die 14 Tage vor dem Ingolstadt-Spiel die gefühlt schlimmsten deines Lebens waren?

Trotz der Aussage, „Sinupret, Muccodings unn die Mama anrufe“ war der Männerschnu… – ÄÄÄÄHHHH NEEE; DIE GRIPPE lang nicht so schlimm, wie die Tatsache, zwei Spiele zu verpassen! Zwei in Folge! Heimspiel gegen Heidenheim und auswärts in Dresden. Dynamooo, auswärts, und du, verdammte Scheiße, du hängst zu Hause auf der Couch, hast Fieber und überhaupt und kannst nicht mit! Das ist zum Heulen, und dass es außer dir und deinem Stadionumfeld niemand versteht, wie es dir wirklich geht, das ist zum …

Heidenheim, 1:1 und dann der Sieg in Dresden. Vier Punkte in Folge, ein Zustand, den du bei den Lilien aus der Saison 17/18 in Teilen nicht mehr wirklich für möglich gehalten hast, den du zwar – ebenso wie die Rettung am letzten Spieltag – jedem verkaufst und überzeugt bist in allen Diskussionen, wo du aber manchmal, im stillen Kämmerlein der einsamen Momente zu Hause… Zwei Spiele also, die du nur zu Hause am Fanradio verfolgst, und fast verrückt wirst. Du fühlst dich wie der Panther in Rilkes gleichnamigem Gedicht, du kommst dir eingesperrt vor, du willst am liebsten raus, und die Holde sagt nur: „Stell dich nicht so an, wenn du nicht mit mir ins Kino kannst, isses nie so schlimm…“. Ja ähhh, dir fällt nichts zur Verteidigung ein und dann kommt diese SMS aus Dresden: „Ihr habt alle Stadionverbot“ (weil du nicht da und gewonnen).

Und mit diesen Gedanken gehst du heute raus. Heimspiel gegen Ingolstadt, die haben die letzten drei Spiele verloren, wir sind seit zwei Spielen ungeschlagen, aber wir wissen doch selbst, wie gut wir Aufbaugeg… halt die Fresse verdammt, Wuschel denk nicht mal dran, sowas zu sagen. Schon als du um neun aus dem Haus gehst und dich aufmachst in den Raum, um beim Spieltagstreff die Ersten zu treffen, eine Limo zu trinken und dich gemeinsam einzustimmen, verbietest du dir also erst mal jeden negativen Gedanken.

Kurz vor dem Abgang des Haufens Richtung Stadion, begibst du dich mit der Gazelle und dem Puber-Tier zur Straba. Hochfahren, reingehen, Zeug am Stand holen, Nürnberg zahlen, Jacke zahlen, ab in den Innenraum. Helfen, wo du kannst, Gespräche führen, Ohren haben, Ohr sein, …

There is no feeling like the one having a hot day in the sun
to be with people that you love
and to feel free

It’s the moments I remember when it’s wet in september
makes it easier to walk through the rain
This is the moments it makes your life worth fighting for
This is the moments
that I remember

Tja und dann läuft das Spiel und – wie sollte es anders sein – deine Lilien geraten in Rückstand… und wenn du verlierst, spür ich wieder diesen Schmerz.

Alle Heiner stimmen ein für das Ziel, Darmstadt gewinnt das Spiel.

Weil aufgeben eben so wenig eine Option ist wie es ein selbst oder von deinen Freunden auferlegtes Stadionverbot bis zur endgültigen Rettung wäre, hältst du natürlich trotz des Hustens die Klappe nicht, bist einer der Ersten, der wieder singt, der brüllt, bist am Toben, kannst nicht ruhig bleiben. Weder als es den aus deiner Sicht klaren Elfmeter an Rosi geben müsste, noch als es den klar gewollten, aber nicht wirklichen, an Holland gibt. Du schwankst zwischen weg- und hinsehen und JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA. 1:1! Unentschieden. Ein ganz klar gewonnener Punkt, denn die Radkappen waren weit näher am 2:0 aus ihrer Sicht als die Lilien am Ausgleich, aber völlig Wurst und egal. Wir brauchen noch 13 Punkte, und wie die am Ende zu Stande gekommen sind, interessiert am Tag der Rettung nach dem Aue-Heimspiel niemanden mehr …