Spielbericht Arminia Bielefeld – SV Darmstadt 98 | Capris Sonne…

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Capris Sonne und der zerrissene Spagat der Herzen und Köpfe

Sonntagmorgen, Viertel vor eins, die Niederlage gegen Bielefeld ist noch relativ frisch, denn in 15 Minuten ist der Anpfiff der gestrigen Partie unserer Lilien gerade einmal einen Tag alt. Und dennoch ist wieder einmal nichts neu und alles anders und die Gefühle der Lilien-Familie würden jedem Schausteller und jedem Freizeitpark-Manager die Dollar- und Euro-Zeichen in die Äugelein treiben – denn sie fahren Achterbahn!

Was ist im Vorfeld dieses Auswärtsspiel nicht alles geschrieben worden? Worte wie „Schicksalsspiel“, „richtungsweisend“ und Attribute wie „vorbei“ machten ebenso die Runde wie die Atteste, die man sich untereinander in der Fanszene ausstellte. Von „Geblendeten“ über „ewige Schwarzseher“, „Nörgler“ „Besserwisser“ bis hin zum Prädikat, „es liege einem doch gar nichts am Verein“, war alles dabei. Unter anderem auch ein längerer Text von einem, der für diesen Verein schon gefühlt alles war – Moderator beim Fanradio, Spieler, Betreiber der Schänke, Partner, Fan, Sohn des Betreuers, und den man bestimmt ebenso wenig auf eine Sache rund um die Lilien reduzieren kann wie er diesen Verein auf eines reduziert. Roger schrieb am Beispiel des Relegationsspiels vom 19. Mai 2014 über die Geschichte unsers Vereins und erinnerte an Werte, an die Symbiose aus den „elf Kriegern“ auf dem Platz und den Fans, die mit dem Willen und dem Glauben „es denen da draußen“ zu zeigen nach Bielefeld fuhren und das „Unmögliche“ schafften.

„1:3 – isch bleibb dehoam“. „NIX GIDDS, ewe groad! Mir foahn do hi unn hache die fodd, jeddz essd rechd unn oamm Ennd lachdd de Deifel!“ (Zur Erinnerung: Es gab damals einen Fanblogger aus Bielefeld, der angesichts der anstehenden Relegationsspiele gegen unsere Lilien auf „Fankultur.com“ veröffentlicht und eine Metapher darüber eröffnet hatte, das die Arminia sich schon oft als gerettet ansah und am Ende da irgendwo der Teufel mit seiner Schippe saß – Am Ende des Texts „saß da der Teufel mit seiner Schippe, grinste und sagte: wir sehen uns in Darmstadt“). Ich erzählte es jedem und erntete oft „Verdammt, Wuschel, entweder hast Du mal so gar keine Ahnung vom Fußball oder Du – VERDAMMT ALTER, DU MEINST DAS ECHT ERNST!!!“ Wisst Ihr, worauf ich hinaus will?

Ja genau, auf die Authentizität, auf den Glauben an uns und das von uns Gesagte! Ja verdammt, ich war auch am Samstag stinksauer und ja, ich bin nach diesem 0:2 wieder ein Stück weit zerrissener. Bin in Teilen hilflos, sehe, dass sich im Vergleich zu Bochum Dinge getan haben, aber auch kleine Dinge negativer waren. Sehe, dass es nur vier Punkte auf die rote Laterne und schon drei auf die Relegation sind. Ja, aber ich weiß auch, dass am Mittwoch ein Nachholspiel kommt. Dass erst, wenn dieses abgepfiffen ist, die Tabelle „stimmt“.

Ich weiß, es fällt schwer zu singen, wenn Du realistisch bist, aber leben Fans, leben wir alle nicht auch immer von und mit dem Phrasenschwein und dem Aberglauben in der Tasche? Ist es nicht auch dieses „Solang die dicke Frau noch singt…“ und „Es ist erst vorbei, wenn‘s vorbei ist“ was unser Fansein mit aus und den Fußball wie wir ihn lieben zu dem macht, was er ist…?

Am Samstag hat es nicht gereicht, es gab keine neuen Bilder von Franzi mit verlaufener Schminke, die Mannschaft purzelte nicht über den Rasen und auch „der Onkel“ mutierte nicht im Innenraum zum Präsidenten der Lilien und während man damals im Mai in seiner Glückseligkeit eins war, zeigte sich gestern die Zerrissenheit. Niemand will absteigen, aber die einen pfeifen und die anderen klatschen noch – und plötzlich können Stimmungen unter den „Lagern“ kippen und Du stehst da, fühlst Dich hilflos und weißt nicht mehr weiter…

Davon – und genau davon müssen wir weg! Jetzt! Schnell! Und vor allem, wir alle dürfen nicht nur sagen, dass der Klassenerhalt nur gemeinsam geht. Wir müssen diesen Schulterschluss – wie damals – auch jetzt wieder gemeinsam leben. Wir dürfen das nicht auf Einzelne oder einen Namen reduzieren. Wir alle sind dieser Verein, wir alle seine Geschichte und wir alle auch seine Zukunft. Diese zu leben und mit Inhalten zu füllen, schaffen wir nur gemeinsam. Aber man muss uns diesen Glauben an uns, dieses Annehmen des Abstiegskampfs glauben. In unseren Aussagen und unserer Haltung!

Am Mittwoch kommt Lautern, die werden bissig sein, die wollen da unten raus, die haben von den letzten drei Spielen zwei gewonnen – na und! Die müssen erst mal an uns allen vorbei, an unseren Spielern, die schon im Tunnel signalisieren müssen, „Hey Junge, wenn Du heute den Ball willst, tut es weh, ich hör erst auf zu rennen und zu fighten wenn es um ist, denn solange der letzte Ball noch rollt ist hier nicht abgepfiffen“ und an uns, an uns, die wir alle am Donnerstag eine kleine Tafel mit zur Arbeit nehmen, weil die Stimme weg sein wird. An uns, die wir pushen, an uns, die wir wissen, dass es bis zum letzten Spieltag dauern kann, die wir aber auch sicher sind, dass es mit Zusammenhalt was werden kann.