Spielbericht SV Darmstadt 1898 – SG Dynamo Dresden

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In der Schlussphase bricht gegen Dresden der Wahnsinn los

Ohne Drama scheint es beim SV Darmstadt 98 in dieser Zweitliga-Saison wohl einfach nicht zu gehen. Dank zwei Last-Minute-Toren von Terrence Boyd und Tobias Kempe rettet der SV 98 gegen Dynamo Dresden ein kaum noch für möglich gehaltenes 3:3 (1:2)-Unentschieden. Die Lilien beweisen damit abermals ihre Comeback-Qualitäten und zeigen, warum es niemals eine gute Idee ist, ein Stadion vor dem Schlusspfiff zu verlassen.

Um 13.32 Uhr ist die Welt noch in Ordnung. Das Wetter ist großartig und unsere Lilien starten fulminant in das erste Duell gegen Dynamo Dresden überhaupt. Kevin Großkreutz ist auf außen durch und findet mit seiner Flanke den Kopf von Yannick Stark, doch SGD-Keeper Marvin Schwäbe verhindert die frühe Führung. Dass das Team von Torsten Frings direkt den Vorwärtsgang eingelegt hat, gefällt natürlich. Die Stimmung auf den Rängen und bei uns auf der Gegengerade ist dementsprechend gut.

Nur einer ist sichtlich unzufrieden. Denn der kleine Max hat ein Problem. Sein kleiner blau-weiß-roter Fußball ist über den Zaun in den Pufferblock zwischen Lilien- und Dresden-Fans gefallen. Aber was soll er tun? Über den Zaun klettern? Ein Loch unter dem Zaun hindurch graben? Hilfe findet er bei ein paar Polizisten, die ihm sein Spielgerät im hohen Bogen zurück in die Arme werfen. Kaum gefangen geht auch schon das nächste Raunen durchs Böllenfalltor. Stark bedient diesmal Großkreutz, der umkurvt Schwäbe, aber der Ball wird immer länger und der Winkel immer spitzer. Chance vertan. Schade.

Kempe prügelt den Ball in die Maschen

Frings hat seine Mannschaft im Vergleich zum Heidenheim-Spiel gleich auf drei Positionen verändert. Für den wegen einer Gehirnerschütterung nicht zu Verfügung stehenden Felix Platte ist Marvin Mehlen zurück im Kader und der Startelf, Stark hat den Vorzug vor Wilson Kamavuaka erhalten und für Sandro Sirigu beginnt Markus Steinhöfer. Die Veränderungen sorgen jedenfalls für Schwung und die starke Anfangsphase der Hausherren mit über 70 Prozent Ballbesitz macht Lust auf mehr. Denn der SVD lässt den Dresdnern kaum Zeit zum Luftholen. Umso ärgerlicher, dass das erste Tor des Spiels nach etwas mehr als 20 Minuten für die Gäste fällt. Nach einer zunächst kurz ausgeführten Ecke bringt Kreuzer das Leder an den Elfmeterpunkt, wo Manuel Konrad sträflich frei zum 0:1 vollendet. Besonders bitter: Es ist der allererste Torschuss der Gäste in diesem Spiel.

Immerhin müssen wir nicht lange auf den Ausgleich warten. Nach einem Foul an Stark entscheidet Schiedsrichter Sven Waschitzki aus Essen auf Freistoß. 20 Meter. Zentrale Position. Kempe nimmt Maß und prügelt den Ball mit viel Power durch die Mauer hindurch zum umjubelten Ausgleich. 1:1. Doch wer nun denkt, die Lilien würden ihre optische Präsenz endlich in Zählbares ummünzen, irrt gewaltig. Statt sich für einen bis dato ansprechenden Auftritt zu belohnen, kassieren Aytac Sulu und Co. den nächsten Rückschlag. In der 34. Minute tritt Kreuzer erneut eine Ecke von rechts, findet im Sechzehner wieder Konrad, der schnürt den Doppelpack und sorgt für die abermalige Gästeführung. Dabei bleibt es vorerst. Halbzeit.

Gelber Nebel zieht auf am Bölle

Nach dem Wiederanpfiff sehen wir zunächst, dass wir nichts sehen. Die Dresdner Fans zünden mehrere gelbe Rauchkörper, vernebeln uns die Sicht und sorgen für eine Unterbrechung des Spiels. Wie wertvoll die daraus resultierenden fünf Minuten Nachspielzeit werden würden, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. In der Folge geben die Lilien zwar weiter den Ton an, zwingende Torchancen springen dabei aber leider nicht heraus. Die Partie gleicht eher einem Handball-Spiel, bei dem man sich die Kugel immer und immer wieder rund um den Kreis zuwirft. Handball ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort, denn an eben jene Hand springt der Ball nach rund einer Stunde dem im eigenen Strafraum stehenden Dresdner Linksverteidiger Müller. Doch alles lamentieren und gestikulieren lässt Schiri Waschitzki kalt. Einen Elfmeter bekommen die Lilien nicht zugesprochen. Auch als Großkreutz rund zehn Minuten später mit Tempo in den Dynamo-Strafraum eindringt und mit einem Rempler zu Fall gebracht wird, bleibt die Pfeife des Unparteiischen stumm.

Es beginnt allmählich die Schlussphase des Spiels. Für Mehlem und Stark bringt Frings Jamie Maclaren und Julian von Haacke. Doch statt nun endlich die Lücke im Dresdner Abwehr-Bollwerk zu finden, kommt es noch bitterer. Nach einem Freistoß von Kreuzer von der rechten Seite bekommen die Lilien den Ball nicht weg. Das Leder landet schließlich beim an der linken Strafraumkante lauernden Konrad, der sich ein Herz fasst und die Kugel (durchaus sehenswert) volley im Kasten von Daniel Heuer Fernandes einschweißt. Das 1:3 in der 80. Minute. Es ist Konrads dritter Treffer an diesem Tag. Das Spiel scheint entschieden.

Extase. Gänsehaut. Bierdusche. 200 Puls.

Doch dann bringt Frings Terrence Boyd für Holland und am Bölle bricht der Wahnsinn los. 90. Minute. Ecke Kempe. Kopf Boyd. Zack. Tor. Nur noch 2:3. Der Schiri-Assistent hebt die Tafel. Fünf Minuten extra. Die Kulisse ist wieder da. Und wie. Hexenkessel. Dann Altintop. 93. Minute. Hoch und weit nach vorne. Dresden kriegt die Murmel nicht weg. Der Ball kommt zu Kempe. Ein Strahl. 3:3. Extase. Gänsehaut. Bierdusche. 200 Puls. Was. Für. Ein. Spiel!

In mir werden Erinnerungen wach. Vor vielen Jahren habe ich einmal auf Anraten meines Vaters ein Stadion vor dem Schlusspfiff verlassen. Es stand 0:2 gegen uns und das Spiel war in unseren Augen gelaufen. Wir hatten noch einige Kilometer vor uns und wollten dem ganzen Verkehrstrubel entgehen. Das Spiel endete nach einer atemberaubenden Schlussphase 2:2 und ich habe mir ziemlich in den Allerwertesten gebissen. Seit diesem Tag bin ich nie wieder vor dem Schlusspfiff gegangen und wurde schon mehrere Male dafür belohnt. Auch heute wieder. Denn eines muss man im Fußball immer bedenken: Ohne Drama geht es einfach nicht.

Autor: Markus Polak

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