Warum 50+1 bleiben muss

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Unter normalen Umständen wäre der Abstieg des TSV 1860 München ein Ereignis gewesen, welches mich nicht groß beschäftigt hätte. Auf- und Abstiege gehören zum sportlichen Wettbewerb dazu und gerade wir Lilien kennen das zur Genüge. Einen kurzen Moment würde ich noch meinen Gedanken nachhängen und mich fragen, was wohl der Abstieg aus dem „Traditionsverein“ macht, aber dann wäre auch gut.

Nun ist der Abstieg der Münchner Löwen aber alles andere als normal. Ein Drama in so vielen Akten, dass es ganze Bücher füllen würde, könnte nun darin gipfeln, die 50+1-Regelung ins Wanken zu bringen.

Was besagt 50+1?

Fangen wir bei der Rechtsform als solcher an. Viele Profivereine haben ihre Lizenzspielerabteilungen in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass man Anteile an Firmen verkaufen und so mehr Geld als durch ein Sponsoring generieren kann. Ein Investor hat somit einen echten Gegenwert, ihm gehört ein Stück des Kuchens. Die Stimmenmehrheit muss jedoch beim eingetragenen Verein liegen, heißt 50% + eine rechtskräftige Stimme (detaillierte Beschreibung unter Quellenangabe (1)).

In den vergangenen Jahren wurden hier jedoch bereits Ausnahmen beschlossen. So kann ein Investor, der bereits 20 Jahre einen Klub unterstützt, mehr Anteile kaufen (Bsp.: Dietmar Hopp hält 96% an der TSG 1899 Hoffenheim GmbH, ebenso ist Martin Kind mit seinem Unternehmen seit ca. 20 Jahren in Hannover dabei). Hinzu kommt Leipzig mit Red Bull, welche ohne wirklichen Gegenwind von DFL und DFB diese Regelung weiter aushöhlt.

50+1 ist somit bereits heute in seiner jetzigen Form äußerst diskussionswürdig. Hinzu kommt, dass sie Abhängigkeiten und sportliche Einflussnahmen wie in München (1860 – Hasan Ismaik) und Hamburg (HSV – Klaus-Michael Kühne) nicht verhindert.

Kein 50+1? Der Blick ins Ausland

Gegner der Regelung argumentieren, dass Investoren noch großzügiger investieren, wenn ihnen nicht nur ein Stück des Kuchens gehört, sondern das komplette Blech. Wer würde in dem Fall vorgeben, wie der Kuchen auszusehen hätte? Richtig, der Investor. Aber ob das Gebäck dem Fan noch schmeckt? Schauen wir ins Ausland, denn dort gibt es kein 50+1.

Der FC Chelsea oder Paris St. Germain feiern große sportliche Erfolge, aber was alles hinter den Kulissen passiert, bekommt man kaum bis gar nicht mit. Man darf nicht vergessen: Als Eigentümer eines Unternehmens können eingenommene Gelder auch abgeführt werden. „Mein Verein als Spekulationsobjekt.“ – ein mehr als komisches Gefühl. Vor allem, wenn man Beispiele in England betrachtet. Etwa, als Malcolm Glazer ein Darlehen aufnahm und für 790 Mio. Pfund Manchester United übernahm… Und auf wen wurde dieses Darlehen nach der Übernahme umgeschrieben? Richtig, auf Manchester United. So muss der Klub jedes Jahr 80 Mio. Pfund für die Tilgung aufwenden. Nun geht es Manchester United sportlich gut, eben gewann man noch die Europa League, jedoch gibt es auch andere Beispiele.

Der FC Portsmouth, ein durchschnittlicher, englischer Verein – und das ist nicht abschätzig gemeint, wurde von mehreren „windigen Investoren“ heimgesucht. Der eine landete wegen Korruption im Gefängnis und sein Nachfolger, Sohn eines illegalen Waffenhändlers, verlor in der Finanzkrise all sein Geld und verließ den Klub mit 70 Mio. Pfund Schulden. Der Klub, der zu Beginn der ersten Übernahme in der Premier League spielte, musste in den Folgejahren zwei Konkurse überstehen und fand sich am Ende in der 4. Liga wieder. Mittlerweile feiert „Pompey“ (wie der Klub von seinen Fans genannt wird) ein kleines Fußballmärchen. Die Fans kauften den Klub zurück und konnten bereits den ersten Aufstieg feiern. (2)

Und dann schaue ich mit einem weinenden Auge nach Salzburg. Dort wo Red Bull die Austria übernahm und praktisch nichts mehr an den 1933 gegründeten Klub erinnert. Anderes Vereinslogo, andere Vereinsfarben, anderer Vereinsname.

1860 München, wenn der „worst case“ eintritt

50+1 soll helfen, die negativen Beispiele zu verhindern. Hasan Ismaik ist ein solches und das System ist gescheitert. Wer weiß, wie vielen Klubs es aber mittlerweile ähnlich erginge, wenn die Regelung bereits gekippt wäre? Es lohnt sich, den Fall vom TSV 1860 kurz anzureißen, da es ein Paradebeispiel ist, wie ein Verein gegen die Wand fahren kann.

Für den Bau der Allianz Arena war der FC Bayern auf die Unterstützung des einstigen Giesinger Arbeitervereins angewiesen und gemeinsam ging man das Mammut-Projekt an. An diesem verhob sich der TSV nach dem Abstieg in die zweite Liga. Finanzielle Nöte mit Insolvenzgefahr führten dazu, dass man die Anteile des Stadions bereits 2006 an den FC Bayern verkaufen musste. Doch die Situation entspannte sich nur kurzfristig, die Finanzen blieben ein Problem und 2011 drohte wieder die Insolvenz, welche ebenfalls die Zerschlagung der U19 und U23 bedeutet hätte (Teil der 1860 GmbH & Co. KGaA). Die Millionen, welche durch den Anteilsverkauf an HAM Investment Limited (Eigentümer: Hasan Ismaik) generiert wurden, verhinderten dies.

Streitereien der Führungspersonen sorgten immer mal wieder für Schlagzeilen, doch der Einstieg von Hasan Ismaik im Jahr 2011 ließ die Geschäftsstelle an der Grünwalder Straße in der medialen Außendarstellung zu einem Komödienstadl verkommen. Ismaik wollte die Löwen zurück in die erste Bundesliga führen, in die Champions League, der Verein sollte gar der neue Rivale des großen FC Bayern werden (3). Ismaik investierte erstmals in einen Fußballverein und glaubte, dass das viele Geld für den Erfolg sorgen würde. Doch 14 Trainer (inkl. Interimstrainer) seit 2011 lassen ein sportliches Konzept deutlich vermissen. Und der Verein? Fünf Präsidenten während der Zeit von Ismaik zeigen, wie sehr man sich mit dem Investor aufrieb, sich aber am Ende nicht durchsetzen konnte (4). Zu abhängig hatte man sich von den jordanischen Millionen gemacht. Die Mitglieder hatten nur noch bedingt Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen, schließlich war Ismaik Investor der Kapitalgesellschaft. Dass es zu dieser Ausgliederung kam, haben die Mitglieder zu verantworten, die ihr auf einer Mitgliederversammlung in der erforderlichen Mehrheit zustimmten. Den Verkauf der Anteile an den Investor, das gewählte Präsidium. Eine Möglichkeit, explizit den Einstieg dieses Investors zu verhindern, bestand für die Mitglieder nicht mehr. Eben dieser Umstand sollte jeden Fußballfan aufhorchen lassen, um sich im Detail mit 50+1 und Kapitalgesellschaften auseinander zu setzen.

Nach dem Abstieg gegen Regensburg fehlten dem Verein mehrere Millionen für die Drittliga-Lizenz, einziger Ausweg: Hasan Ismaik. Dieser verweigerte jedoch die Zahlung und man wünschte dem Verein einen Neuanfang in Liga 4 oder 5. So einfach ist es jedoch nicht, denn als Anteilseigner ist der Jordanier weiter mit im Boot und hält den Verein im Klammergriff. Er möchte den Neuanfang des Vereins gestalten – und da er dem „e.V.“ Mitschuld am Niedergang gibt, möchte er künftig das alleinige Sagen haben und gegen 50+1 klagen. Der Ausgang wäre völlig offen und beträfe alle Fußballvereine des Landes, sofern deren Lizenzspielerabteilung ausgegliedert ist.

50+1 erhalten!

Das Beispiel TSV 1860 beweist, dass die Regelung 50+1 bereits krankt. Es gilt sie zu stärken und nicht außer Kraft zu setzen. Mitglieder eines Vereins bleiben sonst keine Einflussmöglichkeiten. Selbst, wenn man einem Präsidium vertraut, heißt es nicht, dass dies beim nächsten auch so sein muss. Öffnet man erst einmal die Büchse der Pandora, gibt es kaum eine Möglichkeit, diese wieder zu schließen. Ja, die Fans des FC Portsmouth haben es scheinbar geschafft. Wie nachhaltig dies jedoch ist und wann oder ob sie überhaupt wieder zurück in die Premier League kehren, muss sich erst noch zeigen.

Es liegt an uns Fußballfans, den Vereinen zu verdeutlichen, an 50+1 festzuhalten. Lasst uns dies zum Wohle aller Klubs tun. Der Fußball soll auch weiterhin für alle da sein und allen gehören. Nicht nur Leuten, die ihn als Spekulationsobjekt betrachten.

Autor: David Saar

(1) Mitgliedschaft im Ligaverband; §8 Erwerb und Ende der Mitgliedschaft; http://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/14_Satzung_Liga_DFL.pdf

(2) https://www.11freunde.de/artikel/wie-sich-die-fans-des-fc-portsmouth-ihren-klub-kauften

(3) http://www.sport1.de/fussball/2-bundesliga/2016/09/1860-muenchen-hasan-ismaik-will-verein-in-champions-league-fuehren

(4) https://de.wikipedia.org/wiki/TSV_1860_M%C3%BCnchen/Personen

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