Spielbericht Eintracht Frankfurt – SV Darmstadt 1898

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Sulu stößt den Adler vom Thron

Der SV Darmstadt 98 hat das erste Hessen-Derby seit 33 Jahren gegen Eintracht Frankfurt in der Bundesliga für sich entschieden und seinen Fans am Nikolaustag drei Punkte in den Stiefel gepackt. Damit rangieren die Lilien ganze 4 Zähler über der launischen Diva vom Main und haben für den Moment die Kräfteverhältnisse im Hessenland auf den Kopf gestellt. Die SGE hingegen schlittert in eine gewaltige Krise und muss einige Vorgänge, im Verein wie im Umfeld, hinterfragen.

Was orakelte Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzender der Eintracht, noch im Sommer: „Dirk Schuster wird im März 2016 in Frage gestellt.“ Klassischer Fall von denkste! Im Gegenteil wird man abwarten müssen, ob Armin Veh den kommenden März als Eintracht-Trainer überhaupt noch erleben wird. Schuster hingegen liefert weiterhin großartige und unaufgeregte Arbeit am Böllenfalltor und wird dies auch hoffentlich noch einige Zeit tun.

Aufgrund seiner Brisanz und den Frankfurter Drohgebärden im Vorfeld, war die Partie als Hochrisikospiel eingestuft worden. Aus diesem Anlass organisierte der Verein gemeinsam mit der FuFa einen Buskonvoi, um die reibungslose An- und Abreise seiner Anhänger zu gewährleisten. Desweiteren macht sich ein Sonderzug aus Darmstadt in Richtung Frankfurt auf. Wir entschieden uns für den Buskonvoi und machten uns voller Vorfreude auf in die Bänkerstadt. Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle und auch am Stadiongelände blieb alles friedlich, obwohl sich hier Adlerträger und Lilien bunt vermischten.

Um Geschlossenheit zu demonstrieren, waren die meisten Darmstädter im Stehbereich mit blau-weißen Motto-Mützen ausgestattet. Am Zaun prangte eine einzelne große Zaunfahne, die den ganzen Bereich ausfüllte. Auf ihr stand nur ein Wort: Südhessen! Gemeinsam mit der blau-weißen Lilie sollte es vorwegnehmen, was nach Abpfiff zur Gewissheit wurde: Südhessen ist dieser Tage fest in Darmstädter Hand.

Die Frankfurter Westkurve präsentierte zu Beginn eine Choreo, bei der Attila, das gefiederte Vereinsmaskottchen, thronend über zerfetzten Lilien-Bannern saß. Dies war ein Vorgeschmack auf die Schlussphase, in der an gleicher Stelle  in der Vergangenheit erbeutete Darmstadt-Fahnen verbrannt wurden. Ein Vorfall, den Frankfurts Präsident Peter Fischer im Nachhinein verharmloste, meinte er doch, die Fahnen seien nicht geklaut, sondern vor dem Stadion gekauft worden. Eine absurde Aussage, bedenkt man, dass es sich bei den Bannern um individuelle Stücke Darmstädter Fanclubs handelte.

Doch nun zum Spielgeschehen. Auf dem Rasen tat sich fußballerisch erst einmal herzlich wenig. Dafür war reichlich Feuer in der Zweikampfführung. Man merkte den Spielern an, dass es sich an diesem Abend um ein besonderes Spiel handelte. In der hitzigen Partie behielten die Darmstädter in der 30. Minute dann einen ganz kühlen Kopf. Es gab einen Freistoß aus dem Halbfeld für die Lilien, den Tobias Kempe trotz Laserangriff aus dem Frankfurter Block scharf in den 16er brachte, wo unser Käpt’n Aytac Sulu völlig unbedrängt zum 1:0 einnicken konnte. Direkt nach seinem Tor verwies er auf die Lilie auf seinem Trikot und formte danach ein Herz mit seinen Händen. Eine Geste, die man im modernen Fußball häufig sieht und die in den meisten Fällen lediglich ein Muster ohne Wert darstellt. Nicht so bei Sulu, der sich für den Verein aufopfert und stets voran geht und so zu einer wahren Identitätsfigur geworden ist. Für ihn war es bereits das vierte Tor in dieser Saison, womit er ligaweit zum torgefährlichsten Verteidiger avanciert.

Mit der knappen Führung ging es in Pause. In der zweiten Hälfte rückte zunächst Keeper Christian Mathenia in den Blickpunkt. Zunächst klärt er vor dem heraneilenden Stefan Aigner, dann zeigte er wenig später eine bärenstarke Parade bei einem abgefälschten Schussversuch von Marc Stendera. Aber auch die Lilien hatten ihre Gelegenheiten in Durchgang zwei. Sandro Wagner hatte in der 67. die Möglichkeit zum 2:0 auf dem Kopf, konnten den Ball allerdings nicht richtig unter Kontrolle bringen. Eine noch dickere Chance spielte sich Marcel Heller an seiner alten Wirkungsstätte heraus, als er zehn Minuten vor dem Ende auf der linken Seite an den aufgerückten Frankfurtern vorbeisprintete, aber letztlich mit seinem Schuss aus kurzer Distanz an Eintracht-Keeper Lukas Hradecky scheiterte.

Dann war Schluss, Darmstadt im Freudentaumel! Spieler, Fans und Verantwortliche feierten euphorisch den Sieg gegen den großen Nachbarn. Es war bereits der dritte Dreier in der Fremde für die Lilien, die in der Auswärtstabelle auf einem sensationellen sechsten Platz stehen. Die Eintracht hingegen war am Boden, die Spieler mussten sich nach Abpfiff einem Teil ihrer Fans stellen, die ins Innere des Stadions vorgedrungen waren. Der Adler, der noch vor dem Spiel stolz den Thron besetzte, ist also fürs erste abgestürzt. Man darf gespannt sein auf die Entwicklungen, die die beiden Teams im weiteren Saisonverlauf nehmen werden. Am 32. Spieltag haben wir dann die Eintracht zu Gast am Bölle. Gut möglich, dass dem Adler dann endgültig die Flügel gestutzt werden.

Fabian Ortkamp

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